An dieser Stelle möchte ich mich mal an eine Thematik nähern, die uns heute einfach erscheint und doch sehr komplex ist. Das wird uns dann besonders bewusst, wenn wir Papageien vermehren wollen und aus irgendeinem Grund die Jungenaufzucht scheitert. Ein Grund ist immer wieder, dass die Vogeleltern aufhören zu füttern. Durch Experimentieren tastet man sich allmählich an eine Futterzusammenstellung heran, die zumindest den Bedarf an Eiweißen, Fetten und Aminosäuren deckt. Je nach Papageienart weicht die Zusammensetzung ab. Dann gibt es Futtermischungen mit den Angaben soundsoviel Prozent Rohdies und Rohdas. Damit hat man aber noch nicht das Bedürfnis der Tiere wirklich gedeckt, auch wenn man jetzt euphorisch glaubt, mit Pellets nun alles im richtigen Verhältnis zu haben. Sicherlich sind da alle nötigen Nährstoffe drin, aber die Tiere wollen sie in anderer Form, als sie dargeboten werden.
Man muss ein wenig weiter ausholen, wenn man verstehen will, warum Papageien so schwierig im Futter sind. Nicht nur diese, sondern andere Tiere ebenfalls.
Tiere stehen im Gegensatz zu uns Menschen in ganz enger Beziehung zu ihrem Lebensraum. Aus diesem beziehen sie die Nahrung nicht allein zur Gewinnung von Energie und Aufbaustoffen, sondern sie holen sich die vielfältigen Kräfte, die außerhalb wirken, in sich hinein. Damit wird die Beziehung gefestigt: Was außen ist, ist auch innen. Deswegen müssen wir uns ganz klar werden, aus welchen Lebensräumen die Tiere stammen, damit wir ihnen zumindest ansatzweise die Harmonie herstellen können, wie sie in Jahrmillionen die Papageien geformt hat.
Früher glaubte man, Papageien kämen mit Körnern und Früchten aus. Lange Zeit tun sie das auch, denn die meisten sind keine Nahrungsspezialisten, sondern Generalisten. Aber Junge können sie nicht unbedingt damit aufziehen. Durch die Versorgung der Jungen bereiten sie sie auf den Lebensraum vor, der künftig für sie da ist. Weil nun die Papageien so vielseitige Tiere sind, brauchen sie auch das ganze Spektrum, was ihr Lebensraum zu bieten hat. In der Voliere fehlt den Papageien meistens die Vielfalt.
Intuitiv spüren Papageieneltern auch, was die Jungen am besten gebrauchen können, um gekräftigt ins Leben hinauszufliegen. Das kann von Jahr zu Jahr, von Monat zu Monat unterschiedlich sein. Es ist nicht so, dass das allein vom verfügbaren Angebot abhängt. Wenn es so wäre, könnten die Papageien auch mit karger Kost ihre Jungen aufziehen. Dann hängt es auch ab von der jeweiligen Entwicklungsphase der Jungen, wie die Nahrung zusammengesetzt ist.
Aus unserem "Zweiten Blick auf Papageien" P4 haben wir erfahren, dass Papageien sinnliche Tiere sind. Die allgemeinen Wissenschaftler glauben zu wissen, dass der Papagei einen krummen Schnabel hat, damit er besser Obst und Körner fressen und entspelzen kann. Dem steht entgegen, dass dazu auch ein kegelförmiger Schnabel gut ist, wie bei den Finken, oder dass der Vogel die Körner im Ganzen mit Steinchen verschluckt, wie die Tauben. Auch sei der Schnabel als Kletterhilfe oder zum Nestbau unentbehrlich, was widerlegt werden kann, wenn man Spechte, Meisen oder Kleiber beobachtet. Der Papagei kann das alles mit seinem Schnabel. Aber der Schnabel ist krumm, weil der Papagei ein sinnliches Tier ist, welches viel Bewusstsein in die Tätigkeit seines Schnabels steckt und genießt. Er will die Welt mit seinem Schnabel ergreifen und bearbeiten. Kaum ein Tier sonst setzt seine Mundwerkzeuge derart intensiv und zum Teil zweckungebunden ein, wie der Papagei.
Das bedeutet, dass der Papagei auch mehr oder weniger bewusst die Nahrung aufnimmt und prüft, ob sie für die Jungen geeignet ist. Es ist in jedem Fall ein angenehmes Erlebnis damit verbunden. Die Zuriedenheit mit dem Ergebnis gibt der Papagei auch an seine Jungen weiter. Aufmerksame Züchter mögen bemerkt haben, dass auch die Jungen manchmal widerwillig die Nahrung annehmen, die ihnen die Eltern bringen. Es schmeckt nicht, es schmerzt vielleicht irgendwie ein klein wenig, die Eltern können ihre Jungen nicht mit anderen Sachen dienen und sind selber unzufrieden, sie können ihre Jungen nicht glücklich machen. Auch ist es manchmal die Art, wie die Papageien die Nahrung bearbeiten. Schlucken sie sie nur eilig hinunter oder zerkleinern sie die Nahrung sorgfältig? Wie können die Eltern die Nahrung "einspeicheln"? Im Kropf werden ja verdauungsfördernde Säfte hinzugefügt. Alles das wird in der Versorgung unserer Pfleglinge zu wenig berücksichtigt. Auch wenn alles irgendwie instinktiv oder triebhaft automatisch abläuft, so sind immer seelische Erlebnisse darin enthalten, die die Qualität des Vogellebens beeinflussen. Durch die Abhängigkeit der Tiere von uns als Halter spielt unser Verhältnis zu ihnen eine ganz erhebliche Rolle.
Als Beispiel möchte ich meine kleinen und sehr genügsamen Minipapageichen, die Schönsittiche, nennen. Hauptsächlich ernähren sich diese von trockenen Samen von Gräsern. Unkrautsamen werden zum Teil noch hinzu genommen. Damit begnügen sich die Tierchen für gewöhnlich. Etwas von frischen Kräutern kommt hinzu. Wenn die Jungen schlüpfen, futtern die Eltern am liebsten ganz kleine Samen, halbreif oder angekeimt und rauhe Menge von Eifutter und mit wahrer Gier Hartkäse. Frische Kräuter und dann nur ganz junge zarte Triebe oder das Mark aus den Stängeln kommen noch dazu. Dazu noch Mengen an Erde. Äpfel lassen sie links liegen, wie auch Möhren, was sie sonst auch ganz gerne mal knabbern. Wenn die Jungen größer werden, wird der Appetit auf Eifutter und Hartkäse noch größer, auch die Körner werden größer. Am Ende der Nestlingszeit kommen immer mehr trockene Körner dazu und auch ölhaltige Samen, aber das Eifutter wird wieder weniger genommen, wenn auch noch gerne und reichlich. Kräuter rühren sie kaum noch an. Die Fütterungsintervalle werden länger. Das heißt, die Nahrung wird auch länger im Kropf behalten und eingespeichelt. Nach dem Ausfliegen, wenn die Jungen beginnen selber Nahrung aufzunehmen, knabbern sie geradewegs an jenen Pflanzen, von denen die Eltern ihnen gefüttert haben. Wenn es den Jungen schmeckt, sieht man ihnen das auch an, sie kauen und schmatzen dann an dem Brei, den ihnen die Eltern übergeben. Wenn nicht, schlucken sie eilig und hören bald auf zu betteln. In der naturhaft gestalteten Außenvoliere haben die Vögel eine ganze Bandbreite zur Auswahl sowie das, was ich ihnen als Pfleger zusätzlich bringe. In einer sterilen Innenvoliere mit verhältnismäßig wenig Angeboten wird es für die Tiere schon schwieriger, ein Stück Befriedigung bei der Nahrungssuche zu finden.
Für große Papageien kann die ganze Sache noch wesentlich vielfältiger und aufwendiger werden. Die kleinen Grassittiche sind sehr genügsam. Wie ist es dann mit den Amazonen, Graupapageien, Kakadus? Bei ihnen kommt noch eine gehörige Portion Grünfutter und Zweige dazu. Die bereits sehr vielseitig ausgerichteten Pennantsittiche brauchten vor allem Grünfutter, was frisch und knackig sein musste, welk und schlaff haben sie es nicht mehr angerührt. Auch sie haben liebend gerne Keim- und Eifutter sowie Käse genommen und an die Jungen verfüttert, ebenso Äpfel und Möhren. Und sie fraßen immer auch Erde.
Wie schaffen wir es, mit Vielfalt und auch Lust die Papageien so zufrieden zu machen, dass sie zuverlässig lebenslustige Junge aufziehen? An den Komponenten muss man noch forschen und auch an der Darreichung. Damit mit dem Futter auch ein Erlebnis verbunden ist.