Farbmutationen und ihre ethische Komponente / Eine kurze Betrachtung
Übertitelung eines Artikels in PAPAGEIEN (Ausgabe 9/2009, S. 294): "Neue Mutationsform am "Gelbbrustarahimmel"."
Bewußt durch einkreuzende Zucht herbeigeführte oder durch Zufallsmutation entstandene Abweichungen in der Gefiederfärbung bei Großpapageien (speziell bei Aras) treffen aktuell eher auf Begeisterung als auf Ablehnung. Das "Exklusive" und "Besondere" ist gesucht und wird mehr denn je (auch) zu erzeugen versucht. Ökonomische und "ästhetische" Gesichtspunkte spielen hierbei die (Haupt)Rolle. Weder mögliche Aus- und Rückwirkungen auf der Verhaltensebene noch (dies gilt insbesondere für die kleineren Arten) Aspekte der Erhaltung des originären Genpools von Wildformen finden bei den betreffenden Züchtern, Haltern und Interessenten Beachtung.
Es ist fast schon bezeichnend, daß trotz der mittlerweile (im Vergleich zu Anfang/Mitte des vorigen Jahrhunderts) sehr erweiterten Forschungs- und Erkenntnismöglichkeiten bezüglich o. g. Thematik keine (jedenfalls keine mir bekannten) seriösen Arbeiten/Studien zu (möglichen) physischen Aus- und Wechselwirkungen von der Nominatform abweichender Gefiederausfärbungen bei Großpapageien und/oder Wirkungen auf der Verhaltensebene existieren.
Im Jahr 1941 schrieb Dr. Oskar Heinroth (ein leider ziemlich in Vergessenheit geratener Ethologe) in einem kleinen Bändchen, das ich nach längerer Suche erwerben konnte: "Unter den meisten Tierarten kommen gelegentlich Weißlinge, Schwärzlinge, Gelblinge und andere Farbabänderungen sprunghaft vor, die, wenn sie besonders auffallen, im Freien leicht eine Beute der verschiedenen Räuber werden. Wie verhalten sich nun die eigenen Artgenossen zu solchen "Farbkrüppeln"? (...) Ein Freund von mir zog weiße und gewöhnliche Dohlen zusammen auf; sie hielten sich beide für gleichberechtigt, und es kam nicht zur Verfolgung der hellen Stücke. Späterhin hielt er in einem großen Flugkäfig und auch freifliegend gewöhnliche Dohlen; als er ein weißes fremdes Stück dazusetzte, entstand unter den dunklen Genossen eine fürchterliche Panik. (...) Beim Freiflug ergab sich übrigens, daß die Weißlinge zum Frühjahr hin immer schlechter und schließlich gar nicht mehr fliegen konnten; das hat seinen Grund darin, daß die Einlagerung von Farbstoff, die ja dem Weißling fehlt, die Feder stärker und widerstandsfähiger macht, so daß sich beim Fluge die Innenfahnen der Schwingen nicht übermäßig abnutzen. (...)"
Während Heinroth (s. o.) farbliche Abweichungen von der Nominatform noch als das ansah, was sie objektiv betrachtet sind (Zitat: "Farbkrüppel"), weil derartige Abweichungen unter Freilandbedingungen in der Regel keinen Anpassungswert haben (Anmerkung: nur Mutationen mit arterhaltendem Anpassungswert stabilisieren sich und sind durchsetzungsfähig), sondern das betroffene Individuum im Gegenteil sorgar "behindern" (können), spielen derartige Überlegungen heutzutage offenkundig keine Rolle (mehr). Um nicht mißverstanden zu werden: Natürlich hat jede Lebensform (ob mit oder ohne "Behinderung") ein individuelles Recht auf Leben und auf einen sorgsamen Umgang (mit ihr).
Quelle:
Heinroth, O. (1941): Aufopferung und Eigennutz im Tierreich, Kosmos - Gesellschaft der Naturfeunde, Stuttgart, s. 64,65
Gruß
Heidrun