Weil im Verlauf eines anderen Threads auch die Lebenszeitspannen von Papageienvögeln im Freileben angesprochen wurden, dazu einige Anmerkungen.
Für einige Arten sind Überlebensraten und Reproduktion recht gut dokumentiert. Die überlebenskritischsten Zeiträume dürften die ersten Lebensjahre sein.
Rowley hat regelmäßig etwa 100 Nester von Rosakakadus inspiziert, die Jungvögel beringt und markiert. In den kontrollierten 641 Gelegen fanden sich 2760 Eier (durchschnittliche Legerate = 4,31 Eier/Gelege). Es schlüpften 82,6 %. Allerdings wuchsen nur 1,92 Jungvögel/Gelege heran. Die Sterblichkeit der Jungvögel bis zum Zeitpunkt der Selbständigkeit war immens hoch. Bis zum Alter von ca. 100 Tagen starben 19 % der Jungtiere. 22 % starben bis zum Ende des 2. Monats nach der Selbständigkeit. Nur 49 % überlebten das erste Halbjahr. Ca. ein Fünftel der Tiere (19,5 %) erreichte das zweite Lebensjahr, weniger als ein Zehntel (9%) das dritte Lebensjahr. Die Wahrscheinlichkeit eines zweijährigen Überlebens lag für Männchen bei 0,19 %, für Weibchen bei nur noch 0,09 %. 242 Todesfälle konnten auf exakt zu ermittelnde Ursachen zurückgeführt werden. Den Hauptanteil (3/4) nahmen Abschüsse durch Farmer ein. Der Rosakakadu gilt als Ernteschädling (und ist es bei nüchterner Betrachtung sicherlich auch). Je 7 % fielen Greifvögeln und Katzen zum Opfer. 5 % wurden durch den Straßenverkehr getötet. (Rowley, I. (1990): Behavioral Ecology of the Galah Eolophus roseicapillus, Chipping norton). Laut Forshaw werden Rosakakadus u. a. von Adlern (Hieratus morphnoides) und Falken (Falco peregrinus) als Beute verfolgt und getötet (Forshaw, J. M. (1989): Parrots ot the World, 3rd ed., London).
Sehr gut beforscht ist in obiger Hinsicht die Puerto-Rico-Amazone (Amazona vittata). Die Feldforschungen waren wegen der nur noch geringen Individuenzahl recht gut zu bewerkstelligen. Schon ab 1975 kamen erstmals zur Populationserfassung und zur Erstellung von Bewegungsprofilen im Rahmen dieser Studie Sender zum Einsatz. Die Sterberate bei ausgewachsenen Tieren lag zwischen 1954 und 1966 bei ca. 8 % jährlich und stieg sprunghaft von 1966 bis 1968 auf 41,5 % an. Die Sterberate von Jungtieren lag im ersten Lebensjahr bei 32 % (Snyder, N. F. R., J. W. Wiley & C. B. Kepler (1987): The Parrots of Luquillo, Natur History and Conservation of the Puerto Rican Parrots, Los Angeles).
Martuscelli hat die Beutegreifer von Nestlingen und Jungvögeln der karibischen Amazonenarten gelistet. Es sind dies im Wesentlichen: Eulen, Greifvögel, Waschbären, Hauskatzen, Ratten, Schlangen, Reptilien. (Martuscelli, P. (1997): Nest predation on the Red-tailed Amazon Amazona brasiliensis in southeastern Brazil, Parrot Biology 1, S. 183 - 188 ). Die Bahama-Unterart der Kubaamazone (die übrigens, was viele Amazonenliebhaber/innen kaum wissen dürften, als einzige Amazonenart im Abaco-Gebiet ausschließlich in Erdhöhlen - mittlere Tiefe 124 cm - brütet) ist durch Starkregenfälle und Prädation der Nestlinge und Jungvögel durch Krabben, verwilderte Katzen und Schlangen besonders gefährdet. Nur rund die Hälfte der Jungvögel wird überhaupt flügge (u. a. Gnam, R. (1988) Zur Brutbiologie der Bahama-Amazone Amazona I. bahamensis, Papageien, Heft 1, S. 118 - 123/ Gnam, R. (1990): Zur Biologie der Bahama-Amazone Amazona I. bahamensis auf Great Inagua, Papageien, Heft 4, S. 89 - 92).
Zu den Beutegreifern als lebenszeitverkürzender Faktor ist zu sagen: Hier spielt (und dies vor allem in verinselten Gebieten) die Einschleppung faunenfremder Arten (z. B. Katze, Ratte) eine sehr ungute Rolle. "Es hat häufig katastrophale Auswirkungen (...) gehabt, wenn (...) Tiere aus den Ökosystemen, in denen sie entstanden waren, an andere Plätze gebracht wurden, wo die einheimischen (...) Tiere keine Evolutionserfahrungen mit ihnen hatten." (Ehrlich, P. & A. Ehrlich (1983): Der lautlose Tod, Frankfurt, S. 233).
Ich kann im Rahmen von Forenbeiträgen nicht dezidiert auf die vielen die Lebenszeitspannen begrenzenden (und natürlich auch in Teilen den Arterhalt gefährdenden) Bedrohungen für freilebende Papageien eingehen. Von der Jagd über den Fang bis hin zu Lebensraumzerstörungen (nebst Rodungen und Brandrodungen), Naturgewalten (Hurricans etc, / Anmerkung: 1979 hat der Hurrican "David" z. B. große Areale des Verbreitungsgebietes der Kaiseramazone verwüstet), Parasiten, Krankheiten ... - es gibt viele Faktoren, die mit Sicherheit ein vergleichbar langes Überleben wie dasjenige bei einigen Artgenossen in Gefangenschaft in den meisten Fällen kaum ermöglichen dürften.
Heini Hediger, einer der Mitbegründer der "Tiergartenbiologie", hat es (aufgrund seiner jahrzehntelangen vergleichenden Erfahrungen mit / Beobachtungen an Wildtieren unter Zoo-Haltungsbedingungen und in ihren Herkunftsgebieten und unter Bezugnahme auf entsprechende Arbeiten zu Mortalitätsraten - vorwiegend bei Säugern -) kurz gefaßt, etwas verallgemeinernd, aber tendenziell sicherlich zutreffend, auf den Punkt gebracht: "Die Mortalität aller Wildtiere ist erheblich - rund 50 % im ersten Lebenjahr. So ist die grobe Faustregel." (Hediger, H. (1984): Tiere verstehen - Erkenntnisse eines Tierpsychologen, Deutscher Taschenbuchverlag, München, S. 99 / Erstpublikation 1980 bei: Kindler Verlag, München)
Zu den absolut erreichbaren Lebenszeitspannen nach Überleben der besonders kritschen ersten Jahre sind tatsächlich derzeit kaum verlässliche Angaben zu machen. Schon die Bewertung (Abschätzung des Alters) bei "Kontrollfängen" ist schwierig. Schnabel- und Irisausfärbung, Verhornung der Füße etc. sind bestenfalls geeignet, zwischen juvenilen und adulten Exemplaren zu unterscheiden. Gefäßerkrankungen, degenerative und neoplastische Veränderungen, die bei älteren Exemplaren (zumindest unter Haltungsbedingungen) gehäufter zu beobachten sind, könnten evtl. (was allerdings klinische Untersuchungen erfordern würde) ganz grobe Hinweise geben. Langzeitbesenderungen- und/oder Beobachtungen wurden m. W. zu diesem Zweck bisher nicht durchgeführt und sollten derartige Studien in Planung sein (respektive durchgeführt werden), so wird wohl bis zu den ersten Ergebnissen ein Generationenzeitraum vergehen.
Gruß
Heidrun