Rechtsbruch durch Veterinärbehörden
Veröffentlicht am 9. Oktober 2015, zuletzt aktualisiert am 10. Oktober 2015
Pressemitteilung
Das Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG)
in Nordrhein-Westfalen ist vorläufig auf fünf Jahre befristet. 2017 soll überprüft werden, ob es sich bewährt hat.
Viele Veterinärämter haben sich von Anfang an gegen das Gesetz gesträubt und verzögern dessen Umsetzung:
mit dem Ziel, Ergebnisse zu verhindern und das Gesetz 2017 wieder zu kippen.
Damit tun diese Veterinärämter weiter das, was sie immer getan haben:
Tierschutz verhindern!
Sie nehmen dafür sogar den Bruch geltenden Dienstrechts in Kauf.
Das seit 2013 existierende Tierschutz-Verbandsklagerecht in
Nordrhein-Westfalen gibt anerkannten Tierschutzvereinen und -verbänden,
darunter Animal Rights Watch
(ARIWA), die Möglichkeit als Anwälte der Tiere, deren Rechte
einzuklagen. ARIWA ist der erste Tierschutzverein, der das Instrument
der Verbandsklage in drei Fällen nutzt: die tierschutzwidrige Haltung
von Zuchtsauen in Kastenständen, die nicht Tierschutzgesetz-konformen
Haltungsbedingungen von Mastputen und das Nichteinschreiten des
Veterinäramts Siegen-Wittgenstein im Fall eines tierquälerischen
Hundehandels.
Unterstützt wird die Initiative von der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz
und der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt.
ARIWA forderte im Fall der tierschutzwidrigen Kastenstandhaltung und
Putenmast die zuständigen Veterinärbehörden auf, die bestehenden
Tierschutzverstöße nach § 16a des Tierschutzgesetzes abzustellen.
Nachdem die Veterinärämter keinen Handlungsbedarf sehen, strebt ARIWA
nun die Klageverfahren an. Dafür ist die Einsicht in die
tierschutzrelevanten Akten der Veterinärämter essentiell. Das
Veterinäramt Steinfurt und das für die Hundezucht zuständige
Veterinäramt Siegen-Wittgenstein verweigern ARIWA die Akteneinsicht
jedoch seit Monaten. Dazu sagt Mahi Klosterhalfen, geschäftsführender
Vorstand der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt: »Indem die
Behörden die Zusammenarbeit verweigern, treiben sie unnötig Kosten in
die Höhe und verlängern das gesamte Verfahren. Darüber hinaus besteht
die ernsthafte Gefahr, dass das Gesetz 2017 gekippt wird.«
Höhepunkt der destruktiven Haltung der NRW-Veterinärämter ist das Verhalten des Kreises Siegen-Wittgenstein.
Obwohl bereits ein entsprechender Erlass des
zuständigen Ministeriums aus dem Dezember 2014 regelt, dass anerkannten
Tierschutzvereinen Akteneinsicht in §16a-Fällen zu gewähren ist,
weigert sich der Kreis, diese Weisung umzusetzen. Er provoziert damit
nicht nur ein unnötiges und langwieriges Gerichtsverfahren, sondern
verleitet seine Mitarbeiter zur Missachtung grundsätzlicher
dienstrechtlicher Pflichten.
Nach § 35 und § 36 des Beamtenstatusgesetzes haben Beamte nicht nur
Weisungen auszuführen. Sie müssen außerdem bei ihnen vorhandene Bedenken
gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen diese unverzüglich
auf dem Dienstweg geltend machen. Tun sie es nicht, verstoßen sie gegen
ihre beamtenrechtlichen Pflichten. Die zuständigen Beamten des Kreises
Siegen-Wittgenstein halten sich nicht nur nicht an diese ihnen
obliegenden Rechtspflichten, sondern bezweifeln die inhaltliche
Richtigkeit der ihnen erteilten Weisung auch noch vor einem Gericht.
Dass sie, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, ihre Bedenken auf dem
Dienstweg – bis hin zum zuständigen Minister – geltend gemacht hätten,
ist hingegen nicht bekannt. Da das Amtsveterinäramt in Siegen den Erlass
des Ministeriums ignoriert, leitet ARIWA nun ein
Dienstaufsichtsverfahren gegen den Veterinäramtsleiter und andere
Verantwortliche ein. Für den 30. November 2015 ist eine öffentliche
mündliche Verhandlung zur Sache »Akteneinsicht im Kreis
Siegen-Wittgenstein« angesetzt.
Da die Zeit drängt, wird ARIWA Verbandsklageverfahren nun ohne
Akteneinsicht auf den Weg bringen. Sandra Franz, Pressesprecherin von
ARIWA, meint zu dieser Strategie: »Uns bleibt keine Wahl: Bis zu einer
Gerichtsentscheidung zur Frage der Akteneinsicht ist das
Verbandsklagerecht in Nordrhein-Westfalen eventuell schon Geschichte und
die Strategie des Verzögerns der Veterinärämter wäre aufgegangen.«
»Das Tierschutz-Verbandsklagerecht gibt zum ersten Mal Tierrechtlern
die Möglichkeit auf eine konsequente Umsetzung des Tierschutzgesetzes zu
pochen«, ergänzt Dr. Eisenhart von Loeper, Vorsitzender der
Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz. »Dass ausgerechnet die
Veterinärbehörden gegen dieses Gesetz arbeiten, sagt sehr viel darüber
aus, wie es um den Tierschutz in Deutschland wirklich bestellt ist.«
Nachtrag
Zu ergänzen ist, dass es auch einige Veterinärbehörden gibt, die sich für die Durchsetzung von Tierschutzbelangen einsetzen.
Diese sind leider in der absoluten Minderheit.