Fehlprägungen bei Papageien

  • Ich habe Ursels Zitat mal aus einem anderem Thema herausgetrennt :


    Zitat

    Ehrlich gesagt, versteh ich jetzt nicht so ganz, wie Du das dann siehst...
    Ist eine HZ also nicht fehlgeprägt -oder eher: fehlgeprägt worden?
    Auf, auf, dann lasst uns mit gutem Gewissen Kohle scheffeln!


    Ich dachte Ursel , ich hatte dies schon öfters erklärt .


    Na gut , dann nochmal ein eigenes Thema hierzu .
    Lass uns das mal gemeinsam klären :


    Wie definierst du Fehlprägung .


    Schreib dazu alles auf was dir einfällt , darauf beziehe ich mich dann .


    MFG Jens

  • Vorweg : Schon in der Zeitschrift "Papageien" von 12/2003 stand ein schöner Artikel von Walter Jahn ( S.419) worin er schrieb:
    "Gerade bei Papageien muss man sehr vorsichtig sein, ehe man bestimmte Erkenntnisse verallgemeinert, denn zu groß sind hier nicht nur die art-und gattungsstypischen, sondern auch die individuellen Charakterunterschiede..."


    Ist Prägung reversibel oder irreversibel ?
    Hier unterschiedliche Meinungen dazu :


    Volker Munkes :
    Die sensibelste Prägungsphase eines Jungvogels ist die Nestlingszeit und die sich daran anschließende Juvenilphase. Die Lernvorgänge der sog. "Prägung" sind nicht reversibel ( also später nicht mehr umkehrbar) und bleiben für immer festgelegt. So "verankert" der während einer Naturbrut bestehende ständige Kontakt mit den Elternvögeln beispielsweise die sexuelle Prägung auf die eigene Art als ausschließliches Objekt späterer Triebhandlungen. Steht (bei "Handaufzuchten") nur der Mensch als "Elternteil" zur Verfügung, erfolgt die sexuelle Prägung auf den (artfremden) Mensch. Selbst dann, wenn späterhin einem handaufgezogenen Einzelvogel ein artgleicher Partner zugesellt wird (Anmerkung: Zumindest paarweise Haltung sollte Pflicht sein), wird sich an der Fixierung auf den Mensch als "Sexualpartner" (mit allen negativen Folgeerscheinungen) nichts ändern.
    Prägung wird charakterisiert durch:
    Eine eng umgrenzte sensible Entwicklungsphase, in der gelernt wird.
    Die Lerninhalte sind nicht korrigierbar.
    Der Lerninhalt ist eng umgrenzt und
    der Zeitpunkt der Prägung und die Zeit der Anwendung des Gelernten müssen nicht zusammenfallen.

    Copyright by: Volker und Susanne Munkes, 2002
    http://www.jens-drebenstedt.de…/abgabe/handaufzucht.html


    Ralf Sistermann :
    In der Literatur finden sich jedoch immer wieder Hinweise auf mögliche Fehlprägungen bei Papageien, speziell bei handaufgezogenen Papageien. Dies bleiben jedoch meist vage und oberflächlich, werden nicht mit Fakten untermauert, so daß ihr wissenschaftlicher Wert gering ist (Dühr 1996).
    Neben der Behauptung Lantermanns, daß alle handaufgezogenen Tiere fehlgeprägt seien, gibt es jedoch auch Beispiele für erfolgreiche Verpaarungen und Bruten bei Handaufzuchten.
    So erwähnt Silva, daß alle von ihm handaufgezogenen Tiere sich reproduziert haben, zum Teil sogar deutlich früher als gattungsgleiche Naturbruten.
    Angaben über den Zeitpunkt der Entnahme zur Handaufzucht fehlen jedoch, was keine Rückschlüsse auf die Dauer und den Zeitpunkt der sensiblen Phase erlaubt, er erwähnt lediglich, daß die Jungtiere mit Beginnen der Selbstständigkeit in einem Käfig neben den Elterntieren untergebracht wurden.
    Blanchard (1997) weist auf die Bedeutung der Sozialisation von Papageien hin. Sie sieht in der fehlenden Sozialisation die eigentliche Ursache für fehlende Bruterfolge und bezweifelt, daß diese durch Prägung auf den Menschen verursacht werden. Sie sieht die Prägung nicht als irreversibel an, sondern beruft sich auf ihre Erfahrung als Züchterin, wenn sie Prägungsvorgänge als "nicht in Stein gemeißelt" ansieht (Blanchart 1997), wissenschaftliche Beweise für ihre These bleibt sie jedoch schuldig.


    Betrachtet man jedoch den Zeitpunkt der Entnahme zur Handaufzucht bei den Graupapageien, so fällt auf, daß bei den Tieren, bei denen der Zeitpunkt bekannt ist (immerhin 44,82%), die Entnahme vor der 5. Woche erfolgte. Es ist davon auszugehen, daß zu diesem Zeitpunkt die sexuelle Prägung keineswegs abgeschlossen ist, daß die Tiere also innerhalb der sensiblen Phase entnommen werden, was Fehlprägungen verursachen kann, die sich in den oben genannten Fehlverhalten ausdrücken können. Werden die Tiere einzeln aufgezogen, daß heißt von artgleichen Individuen getrennt und erfolgt eine Vergesellschaftung zu einem späten Zeitpunkt, werden die negativen Prägungseffekte wahrscheinlich verstärkt, so daß die Fehlverhalten häufiger auftreten.
    Hier ist die Gefahr groß, eine zuchtunfähige Population zu erzüchten, da gerade bei den Graupapageien die Fehlprägungen der Handaufzuchten nachgewiesen werden konnten.


    3.1 Schlußfolgerung
    Die der Untersuchung zugrundeliegende Hypothese, daß bei Handaufzucht von Papageien vermehrt Fehlverhalten in der Jungenaufzucht auftreten, wurde bestätigt. Bei den Graupapageien und den sonstigen Arten konnte eindeutig ein Zusammenhang zwischen Handaufzucht und auftretendem Fehlverhalten nachgewiesen werden. Dieses Fehlverhalten, speziell das Nichtfüttern der Jungtiere, ist so gravierend, daß eine erfolgreiche Brut ohne menschliches Eingreifen nicht möglich erscheint.
    Es besteht also weiterer Klärungsbedarf, besonders was den Beginn und die Dauer der sensiblen Phase angeht und ob der Zeitpunkt der Entnahme zur Handaufzucht Einfluß auf die Fehlprägung hat.
    Das dies sich vor allem im Nichtfüttern der Jungtiere äußert ist erstaunlich, wurde doch bisher angenommen, daß sich die sexuelle Prägung ausschließlich auf die Findung eines Sexualpartners bezieht.
    In welchem Umfang der Begriff der sexuellen Prägung erweitert werden muß oder ob es weiter, bisher nicht erkannte Prägungsvorgänge gibt, wäre in einer weiteren Untersuchung zu klären.
    http://www.papageien.org/sts/rs/

    8o Liane ~~~~~ Bin lieber eine Übelkrähe als eine Duckmaus ~~~~~

  • Hi Liane ;


    total spannendes Thema . Ich bring mich am WE dazu ein . Hab momentan wenig Zeit .


    MFG Jens

  • Hallo Jens,


    mit wohlformulierten "hochwissenschaftlichen" Definitionen hab ich`s nicht so.
    Das können andere weitaus besser -huhu Liane! :thumbsup:


    Jedenfalls verstehe ich unter einer Fehlprägung nicht nur, dass es Probleme mit der (späteren) Partnerwahl und Jungenaufzucht gibt.
    Ich seh`s umfassender.
    Ein fehlgeprägter Papagei ist für mich einer, der den Kontakt/die Nähe zu (einem) Menschen dem/der zu Artgenossen deutlich vorzieht oder gar ausschließlich sucht.
    Menschen oder später der Mensch, den er sich als Partner(ersatz :S ) auserkoren hat, bedeutet alles für ihn, ein artgleicher (möglicher) Partner garnix, oft noch nicht einmal als Spielgefährte oder er hat sogar Angst vor ihm.
    Und ist der geliebte Mensch nicht da, leidet er Höllenqualen ohne Ende.
    Und kommt dieser Mensch dann endlich wieder, klebt Vogel an ihm, scheint aber nur vordergründig glücklich; denn wirklich befriedigen und damit rundum glücklich machen kann ihn dieses Ersatzobjekt tragischerweise niemals.


    Und nein, Jens, das ist nicht eine "böse HZ", sondern vielmehr eine "ganz arme HZ"! ;(


    Allerdings weiß ich aus Erfahrung, dass dies eben nicht für alle Zeiten so festgeschrieben ist, sondern in entsprechender Haltung durchaus revidiert werden kann, wenn`s auch, vor allem nach Jahren, in denen diese totale Anhänglichkeit absichtlich noch gefördert wurde, ein u.U. sehr langwieriger und mühsamer Prozess ist, der viel Disziplin vom Halter erfordert.

  • Hallo Ursula


    da gebe ich dir durchaus recht, es ist mit sicherheit kein so schneller und vorallen mühsamer weg und was es noch schwieriger macht " es gibt dafür kein rezept ".
    was bei dem einen funktioniert kann bei den anderen total daneben gehen.

  • mit wohlformulierten "hochwissenschaftlichen" Definitionen hab ich`s nicht so.
    Das können andere weitaus besser -huhu Liane! :thumbsup:

    :thumbsup: Huhu Ursula :D ich möchte Niemanden verprellen. ;(
    Ich stimme in der Analyse durchaus mit Dir überein, allerdings können sich Fehlprägungen nicht nur dem Menschen gegenüber auswirken.
    Warum ich so wissenschaftlich an das Thema rangehe liegt daran, daß man nur dann etwas sinnvoll in der Papageienhaltung verändern kann,
    wenn man soviel wie möglich über das Verhalten weiß. Alles andere sind Spekulationen, die sich zum Schaden dieser wundervollen Tiere auswirken können.


    Meine These (nach bisherigem Wissenstand) :
    Würde man Papageien als naturorienterte Bruten züchten und sie erst dann verkaufen, wenn ALLE Prägephasen abgeschlossen sind,
    dann hätte man "nur" noch die Problemvögel, die durch falsche Haltung im Nachhinein produziert wurden.
    In der bisherigen Praxis vieler Züchter jedoch werden von Anfang an verkorkste Vögel verkauft.
    Und mit genau diesen verkorsten Exemplaren sind die meisten Halter überfordert.

    8o Liane ~~~~~ Bin lieber eine Übelkrähe als eine Duckmaus ~~~~~