Hallo Betty,
vorab begrüße ich Dich herzlich in der "Papageienhilfe Deutschland" (und gib mir bitte Bescheid, ob Du in allen Forenbereichen lesen und schreiben kannst. Wenn "ja", dann würde ich dieses Thema gerne zu den "Amazonen" verschieben).
Um Dir Deine derzeitige Situation mit Theo etwas verständlich machen zu können, muß ich etwas ausholen.
Vorweg: Amazonen sind im Grunde keine Haustiere. Amazonen sind und bleiben Wildtiere, auch wenn sie sich in Gefangenschaft noch so zahm, anhänglich und "sprechbegabt" - also anpassungsfähig - zeigen! Doch jede Anpassungsfähigkeit hat auch ihre Grenzen!
Amazonen zählen zu den sozialen Tieren, die in ihrem natürlichen Lebensraum in Gruppenverbänden leben. Innerhalb dieser sozialen Zusammenschlüsse bilden sich Paare, die sich nur während der Brutzeit gemeinsam von ihrem Gruppenverband absondern.
Die paarweise Haltung oder die Haltung in Gruppen stellt leider immer noch die Ausnahme dar. Negativ ist, daß die Mensch-Tier-Beziehung bei Einzelhaltung oft so ausgeweitet wird, daß aus Papageiensicht kein Unterschied mehr zwischen Artgenossen und Mensch besteht. Aber der Mensch kann nun mal nicht die artgemäßen Verhaltensweisen eines Artgenossen übernehmen. Deshalb sind die Einzelhaltung und die Fixierung auf den Halter unbestritten vielfach die Ursache für Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Verhaltensstörungen bei Papageien, die sich in Federrupfen, Aggressionen und/oder Dauerschreien äußern können.
Je weniger ein Haltungssystem den aus dem Freileben bekannten Verhaltensweisen angepaßt ist (zu beachten sind u. a.: Sozialstruktur, Größe des Haltungssystems, Einrichtung, Klima, Lichtspektrum, Belichtungszeiten, Futterpräferenzen), desto weniger Elemente des natürlich angelegten Verhaltens können gezeigt werden. Je weniger Möglichkeiten zum Ausleben natürlich angelegten arteigenen Verhaltens ein Haltungssystem bietet, desto mehr Anpassungen werden den Vögeln abverlangt und desto mehr Abweichungen und Ersatz-Verhaltensweisen stellen sich ein. Eine als typisch zu benennende Ersatz-Verhaltensweise zeigt sich beispielsweise in mangels arteigenem Partner auf den Mensch (Halter/in) projiziertem Sexualverhalten. Ein weiteres Beispiel stellt das durch fehlende arteigene Sozialkontakte verursachte Dauerschreien, ein übersteigertes Aggressionsverhalten und/oder das Federrupfen dar.
Zusammenfassend und vereinfachend: Das Vorenthalten von Voraussetzungen, welche es den Vögeln ermöglichen, wesentliche Elemente des arteigenen Verhaltens auszuleben, führt zu Verhaltensdefiziten. Verhaltensdefizite können nur in bestimmten Verhaltensbereichen und bis zu einem bestimmten Level so kompensiert werden, daß sich keine (manifesten) Verhaltensabweichungen herausbilden. Derartige Defizite führen oftmals, sofern sie sich über längere Zeiträume erstrecken, zu nur noch sehr schwer - oder nicht mehr - reversiblen Verhaltensstörungen.
Theo sieht Euch als Partner-/Gruppenersatz an. In freier Natur leben Papageienvögel 24 Stunden täglich mit dem Partner/der Gruppe zusammen. Verlaßt Ihr Theo (Urlaub, Einkaufen usw., usf.) macht sich das durch die zuvor aufgezählten Verhaltensauffälligkeiten/-störungen bemerkbar.
Vorteilhaft wäre, wenn Du uns einmal die Haltungsmöglichkeiten in Deinem Haushalt schildern würdest.
PS: Ich möchte nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß Federrupfen außer psychische auch physische Ursachen haben kann.
Gruß
Heidrun