Vorweg : Schon in der Zeitschrift "Papageien" von 12/2003 stand ein schöner Artikel von Walter Jahn ( S.419) worin er schrieb:
"Gerade bei Papageien muss man sehr vorsichtig sein, ehe man bestimmte Erkenntnisse verallgemeinert, denn zu groß sind hier nicht nur die art-und gattungsstypischen, sondern auch die individuellen Charakterunterschiede..."
Ist Prägung reversibel oder irreversibel ?
Hier unterschiedliche Meinungen dazu :
Volker Munkes :
Die sensibelste Prägungsphase eines Jungvogels ist die Nestlingszeit und die sich daran anschließende Juvenilphase. Die Lernvorgänge der sog. "Prägung" sind nicht reversibel ( also später nicht mehr umkehrbar) und bleiben für immer festgelegt. So "verankert" der während einer Naturbrut bestehende ständige Kontakt mit den Elternvögeln beispielsweise die sexuelle Prägung auf die eigene Art als ausschließliches Objekt späterer Triebhandlungen. Steht (bei "Handaufzuchten") nur der Mensch als "Elternteil" zur Verfügung, erfolgt die sexuelle Prägung auf den (artfremden) Mensch. Selbst dann, wenn späterhin einem handaufgezogenen Einzelvogel ein artgleicher Partner zugesellt wird (Anmerkung: Zumindest paarweise Haltung sollte Pflicht sein), wird sich an der Fixierung auf den Mensch als "Sexualpartner" (mit allen negativen Folgeerscheinungen) nichts ändern.
Prägung wird charakterisiert durch:
Eine eng umgrenzte sensible Entwicklungsphase, in der gelernt wird.
Die Lerninhalte sind nicht korrigierbar.
Der Lerninhalt ist eng umgrenzt und
der Zeitpunkt der Prägung und die Zeit der Anwendung des Gelernten müssen nicht zusammenfallen.
Copyright by: Volker und Susanne Munkes, 2002
http://www.jens-drebenstedt.de…/abgabe/handaufzucht.html
Ralf Sistermann :
In der Literatur finden sich jedoch immer wieder Hinweise auf mögliche Fehlprägungen bei Papageien, speziell bei handaufgezogenen Papageien. Dies bleiben jedoch meist vage und oberflächlich, werden nicht mit Fakten untermauert, so daß ihr wissenschaftlicher Wert gering ist (Dühr 1996).
Neben der Behauptung Lantermanns, daß alle handaufgezogenen Tiere fehlgeprägt seien, gibt es jedoch auch Beispiele für erfolgreiche Verpaarungen und Bruten bei Handaufzuchten.
So erwähnt Silva, daß alle von ihm handaufgezogenen Tiere sich reproduziert haben, zum Teil sogar deutlich früher als gattungsgleiche Naturbruten.
Angaben über den Zeitpunkt der Entnahme zur Handaufzucht fehlen jedoch, was keine Rückschlüsse auf die Dauer und den Zeitpunkt der sensiblen Phase erlaubt, er erwähnt lediglich, daß die Jungtiere mit Beginnen der Selbstständigkeit in einem Käfig neben den Elterntieren untergebracht wurden.
Blanchard (1997) weist auf die Bedeutung der Sozialisation von Papageien hin. Sie sieht in der fehlenden Sozialisation die eigentliche Ursache für fehlende Bruterfolge und bezweifelt, daß diese durch Prägung auf den Menschen verursacht werden. Sie sieht die Prägung nicht als irreversibel an, sondern beruft sich auf ihre Erfahrung als Züchterin, wenn sie Prägungsvorgänge als "nicht in Stein gemeißelt" ansieht (Blanchart 1997), wissenschaftliche Beweise für ihre These bleibt sie jedoch schuldig.
Betrachtet man jedoch den Zeitpunkt der Entnahme zur Handaufzucht bei den Graupapageien, so fällt auf, daß bei den Tieren, bei denen der Zeitpunkt bekannt ist (immerhin 44,82%), die Entnahme vor der 5. Woche erfolgte. Es ist davon auszugehen, daß zu diesem Zeitpunkt die sexuelle Prägung keineswegs abgeschlossen ist, daß die Tiere also innerhalb der sensiblen Phase entnommen werden, was Fehlprägungen verursachen kann, die sich in den oben genannten Fehlverhalten ausdrücken können. Werden die Tiere einzeln aufgezogen, daß heißt von artgleichen Individuen getrennt und erfolgt eine Vergesellschaftung zu einem späten Zeitpunkt, werden die negativen Prägungseffekte wahrscheinlich verstärkt, so daß die Fehlverhalten häufiger auftreten.
Hier ist die Gefahr groß, eine zuchtunfähige Population zu erzüchten, da gerade bei den Graupapageien die Fehlprägungen der Handaufzuchten nachgewiesen werden konnten.
3.1 Schlußfolgerung
Die der Untersuchung zugrundeliegende Hypothese, daß bei Handaufzucht von Papageien vermehrt Fehlverhalten in der Jungenaufzucht auftreten, wurde bestätigt. Bei den Graupapageien und den sonstigen Arten konnte eindeutig ein Zusammenhang zwischen Handaufzucht und auftretendem Fehlverhalten nachgewiesen werden. Dieses Fehlverhalten, speziell das Nichtfüttern der Jungtiere, ist so gravierend, daß eine erfolgreiche Brut ohne menschliches Eingreifen nicht möglich erscheint.
Es besteht also weiterer Klärungsbedarf, besonders was den Beginn und die Dauer der sensiblen Phase angeht und ob der Zeitpunkt der Entnahme zur Handaufzucht Einfluß auf die Fehlprägung hat.
Das dies sich vor allem im Nichtfüttern der Jungtiere äußert ist erstaunlich, wurde doch bisher angenommen, daß sich die sexuelle Prägung ausschließlich auf die Findung eines Sexualpartners bezieht.
In welchem Umfang der Begriff der sexuellen Prägung erweitert werden muß oder ob es weiter, bisher nicht erkannte Prägungsvorgänge gibt, wäre in einer weiteren Untersuchung zu klären.
http://www.papageien.org/sts/rs/