Sozialverhalten im Vergleich
Sozialverhalten bedeutet die Reaktion auf Begegnung verschiedner Individuen einer Art und ihr Verhältnis zueinander. Nicht sozial lebende Tiere stoßen sich gegenseitig ab. Eine Spinne greift Artgenossen an und wenn sie einen überwältigt, frisst sie ihn auf. Geschlechtspartner erfahren nicht selten das selbe Schicksal, weil in der Spinne der Angriffsimpuls wiedererwacht, wenn das Männchen die notwendigen Beschwichtigungsrituale nicht mehr ausführt.
Bei Krebsen ist das ähnlich. Aszidien (festsitzende Manteltiere) begegnen sich erst gar nicht. Sie verfügen noch nicht einmal über Sinnesorgane zur gegenseitigen Wahrnehmung. Zur Vermehrung werden die Keimzellen einfach dem Wasser übergeben. Einige Fische, wie Hecht oder Zander halten es ähnlich wie die Spinne. Es ist alles irgendwie fressbar, was sich bewegt und überwältigt werden kann. Lurche bekämpfen sich, wenn sie sich begegnen. Reptilien zeigen zum Teil schon erste Anzeichen von sozialem Verhalten. Krokodile haben eine Hierarchie, die auf Kraft und Größe beruht, man toleriert sich bis zu einem bestimmten Grad, die Jungen werden behütet. Schlangen dagegen gehen sich weitgehend aus dem Weg. Sie kommunizieren in erster Linie mit Gerüchen. Geckos rufen, Anolis haben einen Kehlsack mit leuchtenden Farben, Chamaeleons zeigen an der Farbe ihre Stimmung und Leguane nicken heftig mit dem Kopf. Alles das sind soziale Signale, aber in erster Linie mit dem Ziel der Abgrenzung. Hierarchien sind kaum auszumachen. Es sind meistens Standort anzeigende Signale, die wiederum ausschlaggebend für die Partnerwahl sind. Dieses Sozialverhalten ist recht primitiv.
Staatenbildende Insekten sind sozial und auch wieder nicht sozial. Jedes Individuum empfindet sich als Teil eines Ganzen, ohne sich selbst als Individuum wahrzunehmen. So wie die Zelle eines Körpers. Der Insektenstaat ist Ausdruck eines Organismus, der sich räumlich extrem ausweiten und wieder zusammenziehen kann. Die Einzelindividualitäten haben auf das Gesamtgefüge keinen Einfluss und fallen auch nicht ins Gewicht.
Da sind die Schwarmfische, die in ihrem Schwarm die Sicherheit des Einzelnen suchen. Auch bei schwarmbildenden Vögeln, Kalmaren oder Garnelen findet sich das in dieser Weise. Ohne weitere Differenzierung der Ordnung suchen die Individuen Schutz in der Gemeinschaft.
Soziales Leben, das haben wir nun erfahren, beinhaltet größere Sicherheit für das einzelne Individuum. Da sind die brutpflegenden Tiere, die sich zeitweilig zusammenschließen, um Nachwuchs zu erzeugen und zu betreuen. Buntbarsche zum Beispiel leben für die Zeit der Jungenaufzucht in unterschiedlich ausgebildeten Familienstrukturen. Hier betreut die Mutter, der Vater wacht, da betreut der Vater, die Mutter wacht, dort betreuen beide und wachen gemeinsam. Dann eben das Selbe bei den Vögeln. Kombinationen aus Schwarmbildung und paarweiser Absonderung findet sich bei Fischen, Vögeln und Säugetieren. Hierarchien sind schwach ausgebildet. Es herrscht meistens das Recht des Stärkeren. Bei Huftieren und Robben sind es Harems bildende Strukturen, bei denen die Männlichen durch Größe und Kraft das Vorrecht zur Fortpflanzung erstreiten. Wirklich soziales Leben findet sich einzig bei Lebensformen, die sich selbst als Individuum wahrnehmen und in intensiven Kontakt mit anderen Individuen treten.
Komplex soziale Strukturen finden sich vor allem bei Primaten, Elefanten, Walen, Löwen und Wölfen. Bei ihnen geht es eben nicht nur um das Vorrecht zu irgendwas, sondern um gemeinsam zu bewältigende Strategien. Bei Löwen und Wölfen geht es um die Jagd, bei allen um Nahrung und aktiven Schutz des einzelnen Hordenmitglieds. Löwen und Wölfe haben eine geradlinige und starre Hierarchie. Bei Primaten dagegen ist die Hierarchie dynamisch und kann sich durch Cliquenbildung innerhalb der Horde ändern. Die Autorität des Ranghöheren wird jedoch nicht allein durch Kraft und Größe anerkannt, sondern auch durch Erfahrung und Vertrauen. In diesen Eigenschaften steht der Mensch wiederum an der Spitze. Alle sozialen Strukturen finden sich auch bei Menschen. Er hat die freie Wahl und die Fähigkeit aktiv zu gestalten. Während bei den Löwen und Wölfen, die als einzige Karnivoren derart soziale Strukturen aufbauen, die Jugendzeit auf ein Jahr begrenzt ist, haben die Übrigen eine Jugendzeit von mehreren Jahren.
Die Bildung von Dauereinehen ist mir nur von Vögeln und Menschen bekannt. Als Einehe ist der Zusammenschluss zweier Geschlechtspartner mit Gattentreue für eine Saison zu verstehen, als Dauereinehe bleibt sie für mehr als eine Saison der Nachwuchserzeugung bestehen. Hierfür sind Gänse, Schwäne, Prachtfinken und Papageien bekannt.
Durch Beobachtung und Vergleich kann man feststellen: Je länger die Jugendzeit, desto mehr wird Instinkt durch Erlerntes ergänzt oder ersetzt. Das ermöglicht den Individuen oder besser der Gruppe eine hohe Flexibilität bei Veränderungen der Umweltbedingungen. Dadurch kommt der Rolle des Erfahrensten eine tragende Bedeutung zu. Nicht nur Kraft ist nun rangvermittelnder Faktor, sondern Wissen. Innerhalb der Gruppe genießt jedes Individuum größtmöglichen Schutz. Es muss im Gegenzug hinter den Vorrechten des Ranghöheren zurückstehen. Zum eigenen Vorteil kann es gereichen, wenn die Rangniederen dem Ranghöheren zu seinem Recht verhelfen. Dadurch erhöht sich nämlich noch einmal der Schutz und die Sicherung des individuellen Freiraums innerhalb der Normen. In der Jugendzeit, also vor Erlangung der Geschlechtsreife, sind Tiere am lernfähigsten. Je länger sich dieser Zeitraum vergrößert, desto länger ist auch die Zeit der Lernfähigkeit. Lernen beinhaltet vor allem Versuch und Irrtum, aber auch das Erproben und Trainieren der vorhandenen Fähigkeiten. Dazu gehört auch das feine Ausballancieren der sozialen Beziehungen. In dieser Zeit werden auch jede Menge zweckungebundene Handlungen vollzogen. Dieses freie Spiel gibt dem Individuum einen gewissen kreativen Handlungsspielraum bei Entscheidungsfragen oder technischen Problemen. Das ist Intelligenz. Die soziale Gemeinschaft stellt hierfür den Schutz- und Freiraum her.
Wie verhält sich das Vorangegangene mit den sozialen Verhältnissen von Papageien? Es gibt alle Abstufungen von einer einfachen unhierarchischen und losen Zusammenkunft vieler Individuen zu einem Schwarm bis hin zu komplexen Sozialstrukturen mit Hierarchien und Cliquenbildung. Plattschweifsittiche z.B. leben für gewöhnlich paarweise territorial und schließen sich in Mangelzeiten zu Schwärmen zusammen. Sie bilden Jugendgruppen, die nach der Erreichung der Fortpflanzungsreife zerfallen. Wellensittiche leben immer im Schwarm und brüten in Kolonien. Es wird einzig das Nest als Territorium beansprucht. Amazonen dagegen bleiben in Familienverbänden und bilden Schwärme bei größeren Wanderungen oder beim Aufsuchen von Schlafbäumen. Die Familien von Plattschweifsittichen zerfallen bereits nach einigen Monaten, oftmals nach der Entwöhnung, die der Großpapageien bleiben oft für ein Jahr bestehen. Eine echte Hierarchie wie bei Primaten mit einem Oberhaupt gibt es nicht. Die Kleingruppen werden von den Erfahrenen angeführt. Das Vorrecht zur Fortpflanzung wird nicht erkämpft, es wird eine Neigungsehe gegründet, die letztlich vom Weibchen beschlossen wird. Sie bleibt meistens als Dauereinehe bestehen. Vorrechte auf Futter oder Territorien werden meistens nicht sippenhaft ausgefochten, sondern lediglich individuell. Ausnahmen scheinen bei Amazonen zu sein. Genaueres müsste noch untersucht werden. Die Großpapageien, zu denen Aras, Kakadus, Amazonen und Graupapageien gezählt werden, haben eine besonders lange Jugendzeit. Dabei erlernen sie Sozialverhalten bis hin zu Lautanpassungen an jeweilige Gruppen. Es gibt Gruppenindividualitäten. Dieses konnte ich in Bezug auf Gesangsanpassungen ebenfalls an Zebrafinken und Tüpfelastrilden (Tigerfinken) feststellen.
Was für Konsequenzen hat das jetzt alles, diese ewig langen Darstellungen von Lebenskonten oder Vitalpotenzial und Sozialverhalten für uns?
Viele Papageienbesitzer haben ein Problem mit der Aggressivität ihrer Papageien. Papageien neigen in manchen Situationen zu Cholerik, besonders in Beziehungsangelegenheiten und in Zeiten der Brutstimmung. Als Vögel sind sie auch voller Furchtsamkeit, was ja in der Natur sinnvoll ist und ihre Eigenschaften als Vögel noch steigert. Papageien besitzen eine hohe soziale Intelligenz, welche sie zu Individualitäten in einem komplexen sozialen Netzt macht. Dieses Zusammenspiel von Temperament und Furchtsamkeit verknüpft mit ihrer Intelligenz macht sie für uns - sofern wir sie nicht mit dem gebührenden Respekt behandeln - zu unberechenbaren Tieren voller "Aggressionspotenzial". Sofern sich die Kräfte, die in dem Vogel mit denen seines Umfeldes in Balance halten, sind Papageien gar nicht so aggressiv.
Zu den Kräften im Wesen des Papageis habe ich vorangegangene Gedanken zusammengestellt. Sie beschreiben die Organisation seiner physischen Zusammensetzung und die Kräfte, die in die einzelnen Funktionen einfließen.
Dann möchte ich einen Zusammenhang zwischen den im Vogel wirkenden Kräfte mit den Äußerungen innerhalb seines sozialen Beziehungsnetzes herstellen.