Das Problem mit beißenden Papageien

  • Das Problem mit beißenden Papageien (Teil 1)


    Daß dies Problem immer häufiger in diversen Foren zu finden ist, die Frage nach dem Wieso und Warum auch schon des Öfteren in verschiedenen Themen durchgesprochen wurde, möchte ich dies hier in einem Thema bündeln. Wer mit langen Texten wenig anzufangen weiß / bzw. diese nur oberflächlich liest, weil auf den ersten Blick nicht erkennbar ist warum der Papageie beißt, sollte an dieser Stelle nicht weiterlesen, da das Thema etwas umfangreicher ist.


    Frage: Warum beißt oder attackiert mein Papagei mich?
    Um diese Frage zu beantworten muß man weiter ausholen als vielleicht angenommen wird.


    Viele Papageienhalter, die mit diesem Problem konfrontiert sind, haben Fehler im Umgang mit dem Papagei gemacht. Sicherlich ist dieser Fehler unbewußt und schleichend unterlaufen. Dieser Fehler ist nun aber einmal da. Nur durch erkennen dessen, kann man als Halter aber entsprechend reagieren.


    Oftmals schleicht sich dieser Fehler des "sinnlosen Beißens" (denn so empfindet der Halter das Verhalten seines Pfleglings) sehr früh ein.
    Meist fängt alles damit an, daß der Halter zu seinem Papagei eine Beziehung haben möchte. Logisch, die haben viele andere Halter auch (ich ebenso). Aber genau aus dieser vermeitlichen Beziehung ist der Grundstein für unnormale Verhaltensweisen gelegt .
    Der Halter wollte solch eine innige Beziehung zu seinem Tier (er möchte Bezugsperson sein, das Tier soll sich von ihm kraulen lassen, der Halter findet es toll wenn der Papagei diesem am Finger rumnuckelt, der Papagei sich auf den Rücken legt um dann ausgiebig gekrault zu werden usw.).
    Da der junge Papagei aber keinerlei Regeln beachten muß, testet er ganz langsam aus, wie weit er gehen kann. Anfangs ist es ein kleines zwicken, manchmal beißt er derbe zu ------- ist danach aber wieder "ganz lieb". Auf dieses derbe Beißen kommt meist eine Reaktion vom Halter, die der Papagei als Tagesbereicherung sehen kann . Er wird beispielsweise nach solch einer Beißattacke durch das Zimmer gescheucht (soviel Abwechslung hatte der Papagei den ganzen Tag noch nicht), oder der Halter ruft lauthals "aua" was dem Papagei ebenfalls gefällt, da durch sein Beißen eine Reaktion beim Halter hervorgerufen wurde.


    Der Papagei lernt an dieser Stelle sehr gut und auch schnell was beißen für ihn bedeutet (er verbindet dies mit dem Erlebtem).
    Schlimm wird es für den Halter dann, wenn der Papagei sich während des Freiflugs gezielt auf seinen Halter stürzt. Auch hier hat der Papagei wiederum erkannt und gelernt, was sein Verhalten (das vom Papageien) bewirkt. Der Halter muß den Raum verlassen, gebückt am Käfig vorbeigehen, um den Attacken auszuweichen. Dieses Verhalten ist nicht "von jetzt auf gleich" entstanden. Der Papagei hat anfangs seinen Käfig erfolgreich verteidigt (was in seine Augen auch klappte), nun ist die Gardinenstange dran (auch das ist dem Papageien gelungen) -------------- und letztlich hat er das ganze Zimmer in Beschlag genommen.


    Wie unschwer zu erkennen ist, hat der Papagei so nach und nach den Halter "kassiert".
    Kann man diesem entgegenwirken? Na klar! Viele die mich kennen, wissen um meine Einstellung zu diesen Schmusevögeln. Gerade von diesen gehen meist die Probleme mit unerwünschtem Verhalten aus (weil der Halter eine Reihe von Fehlern begangen hat (unbewußt)), da diese anfänglich sehr leicht händelbar erscheinen. Falls man jetzt vorschnell der Meinung sein könnte, ich selber habe keine Beziehung zu meinen Vögeln, der irrt. Ich selber kann genausoviel mit ihnen anstellen wie jeder andere Halter auch.


    Zusätzlich sollte man sagen, daß viele Papageien ihre Halter bedrohen. Meine machen dies auch (Brut / Balz). Wenn ich dies aber sehe, gehe ich nicht weiter auf dieses Drohverhalten ein sondern lass ihn (dem Papagei) dies ausleben. Ich näher mich nicht weiter dem Papagei (denn sein Verhalten, die Brut zu verteidigen, ist in meinen Augen normal). Der Papagei weiß auch in diesem Falle was sein Drohen bewirkt. Er weiß sehr gut wie weit er mich von der Höhle fernhalten kann. Ausserhalb dieses Aktionsradius (Bruthöhle) bedroht mich keiner. Warum auch.


    Beim ersten Bild war ich ziemlich dicht an der Bruthöhle, beim zweiten Bild schon wesentlich weiter weg.
    Wie man sieht hat der Vogel gelernt, wie weit er mich fernhalten kann (an der Stelle lasse ich Verhaltensweisen ausleben), an einer anderen Stelle der Voliere kann ich mit ihm sehr gut interagieren (das 3te Bild ist wenige Minuten danach enstanden).


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  • Das Problem mit beißenden Papageien ( Teil 2 )


    Was aber machen, wenn der Papagei erkannt hat, daß ich durch sein Drohen und Beißen zurückweiche obwohl er gar nicht brütet?
    Auch hier wiederum, der Papagei hat erkannt, mit wem er seinen Schabernack treiben kann. Dieses Verhalten wurde ihm auch nach und nach antrainiert (unwissentlich vom Halter). Dieses unerwünschte Verhalten möcht man aber gerne korrigieren.


    Ein Fallbeispiel dazu :
    Ich selber besitze einen Graupapagei, der vom Vorbesitzer nur noch mittels Harke gefüttert werden konnte. Das heißt nicht, daß der Papagei mit einer Harke gefüttert wurde, nein, eher ist es so zu verstehen, daß der Besitzer sich nur noch mit dieser in die Voliere wagen konnte, um die Vögel abzuhalten. Wenn man sich dies nun bildlich vorstellen sollte, denke ich an einen Gärtner in einer Vogelvoliere. Das solls natürlich sein. Ich nahm den Graupapagei mit und setzte ihn in meine Voliere. Auf dem ersten Blick war alles normal. So nach und nach versuchte nun auch dieser Vogel, wiederum sein Verhaltensmuster auszuleben (andere anzugreifen, in dem Falle mich). Wie er zu diesem Verhaltensmuster kam, weiß ich nicht, es liegt aber nahe, daß der Vogel den Halter "kassierte" (siehe oberen Abschnitt). Da ich mich selber nun nicht gerade von 30 cm Körpergröße terrorisieren lasse, nahm ich einen kleinen Ast mit in die Voliere, um den Graupapagei auf Distanz zu halten. Blieb dieser an einem Ort sitzen, der für mich ein normales arbeiten in der Voli ermöglichte, gabs für ihn eine Nuß (das brauchte natürlich mehrere Anläufe, damit der Vogel verstand, was ich von ihm wollte). Diese konnte man ihm ohne weiteres mit der Hand geben. Drohte er mir von seinem Sitzplatz aus (es gab dafür in dem Moment keinen erkennbaren Grund für mich), blieb ich einfach stehen und beobachtete ihn. Von mir kam in diesem Moment nicht die gewünschte Reaktion die er sich evtl. erhoffte. Dieses Drohen wiederholte er sehr oft ---------- die Reaktion meinerseits darauf war gleich null. Irgendwann ließ das Drohen nach und er saß schon auf seinem Platz, wenn ich in die Voliere wollte . Auch das hatte der Vogel nun gelernt; ich komm in die Voli / er sitzt auf seinem Platz und bekommt eine Nuß/ ein nettes Gespräch / irgendwas zum Zernagen / eine Frucht usw..
    Mittlerweile bedarf es keiner Nuß mehr, er wartet nur noch auf den vollen Futternapf -- damit ist er schon zufrieden.


    So sah der Graupapagei anfangs mir gegenüber in der Voliere aus


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    und so " interessant " war ich dann für ihn nach wenigen Wochen.


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    Auch wenn sich dies evtl. leicht lesen sollte, ist es doch ein ganzes Stück Arbeit wo man sich mit dem Vogel auseinandersetzen muß.
    Man sollte bei solchen Korrekturen, um ungenehmene Verhaltensweisen in den Griff zu bekommen, keine zu hohen Erwartungen (zeitlich gesehen) an den Vogel stellen. Er hat schließlich längere Zeit gebraucht, um so zu werden (diese Unarten zu erlernen), man sollte ihm aus diesem Grunde ebenso so viel Zeit für eine Korrektur einräumen.


    Ergänzend sollte auch gesagt werden, daß der Vogel natürlich schnell bestimmte Verhaltensmuster durchschaut. Aus dem Grunde sollte dieses angenehme Erlebnis (in dem Falle die Nuß) für den Vogel variieren. Es muß nicht immer eine Nuß sein, es kann eine Frucht, ein Spielzeug, die beruhigende Stimme des Halters oder ein kurzes intensives Auseinandersetzen (Spiel) mit dem Vogel sein. Diese positiven Erlebnisse kann man sehr manigfaltig gestalten, denn jeder Halter kennt Vorlieben seines Vogels und weiß, wie dieser darauf anspricht. Ansonsten kann es sehr schnell passieren, daß der Papagei mich trainiert. Frei nach dem Mott: bekomme ich keine Nuß so wie jedesmal, beisse ich dich. Auch hier wiederum ist Abwechslung (die überhaupt in der Papageienhaltung eine große Rolle spielen sollte) ein Zauberwort.


    Um einzugrenzen, wann ein Vogel seine ersten Versuche startet, um seine Position auszutesten, nachstehend mal ein paar kleine Fallbeispiele, die einigen Haltern vielleicht bekannt vorkommen werden.
    - Vogel macht durch Blitzen der Pupillen klar, daß ihm etwas nicht gefällt / bzw. dieses kleine Warnsignal eine weitere Handlung nach sich zieht (Federabstellen / Angriff)
    - Vogel bedroht den Halter (Federabstellen), welches der Halter so nicht eindeutig zuordnen kann
    - Vogel fängt langsam aber sicher an, derber zuzubeissen
    - Vogel überfliegt den Halter, um unmittelbar über seinem Kopf zu Hacken (mittels Schnabel oder Krallen). Der Schnabel wird hierbei anfangs zögerlich eingesetzt .
    - Vogel fliegt Halter gezielt an, der Schnabel wird hierbei schon sehr derbe vom Vogel gebraucht / bis hin zum Verbeissen (Kakadus und Hahns können das sehr gut)


    Wie kann man diesem allen entgegenwirken?
    Auf dem Büchermarkt ist ein sehr gutes Buch vom Ulmer-Verlag erschienen (" Papageienverhalten verstehen" von Munkes und Schrooten). Für mich eines der besten Papageienbücher auf dem Markt, in dem Papageienhaltern bestimmte Verhaltensweisen sowie Zusammenhänge erklärt werden. Es ist leicht und verständlich geschrieben.


    Auch hier wiederum ein eigenes Fallbeispiel :
    Da ich selber Papageien besitze, deren Schnabelkraft nicht unerheblich ist, ist hier schon ein unkompliziertes Auskommen unumgänglich. Da auch diese Tiere versuchen, ihre Rangposition mit mir zu klären (was normal ist, denn Angst sollen sie vor mir nicht haben und mir deswegen aus dem Wege gehen), ist es sinnvoll, solchen kleinen Drohgesten entsprechend entgegen zu wirken.
    Sehe ich einen Vogel in meiner Voliere, der mir bewußt den Weg versperren will, mich dabei androht (auch hier wiederum: der Vogel testet wie weit er gehen kann. Zur Erinnerung: erst war es der Käfig, dann die Gardinenstange ..........), hat dieser für die Zukunft nur 2 Optionen. Entweder er bleibt sitzen und benimmt sich ------------ oder er muß weichen. Wie ein Papagei von seinem Platz weichen muß ist relativ einfach. Hierfür reicht schon ein kleiner Ast aus. Der Papagei wird nicht oder nur ungern zulassen, daß dieser gegen sein Brustgefieder gedrückt wird (zum besseren Verständnis: das Tier sollte hiermit nicht geschlagen oder so arg bedrängt werden, daß der Vogel Schaden nehmen könnte bzw. den Halter mit Unangenehmem in Verbindung bringt). Da auch hier wiederum der Vogel ein Spiel sehen könnte (ich drohe und du holst das Stöcklein), sollte man hierbei auch wieder sehr vielfältig vorgehen. Es ist keinesfalls so, daß, wenn der Papagei versucht, seine Grenzen auszutesten, dßs er dies jedesmal aufs neue versucht (wie gesagt; er testet ------ ein Verhaltensmuster hat sich noch nicht eingeschlichen). Sitzt der Papagei dann an einem Platz wo keinerlei "negative" Reaktion von ihm kommt, kann man auf ihn getrost zugehen und mit ihm interagieren. Diese Tagesbereicherung wird er sicherlich gerne annehmen. Wie dies sich nun für jeden einzelnen Halter darstellt, kann nur der Halter selber beurteilen. Stramm ein Schema "F" einzuhalten wäre dabei abträglich (denn das durchschaut der Papagei nach kurzer Zeit), aber das hatten wir schon mal in diesem langen Text (das Zauberwort hieß "Abwechslung").


    Wie unschwer zu erkennen ist, versucht der Papagei durch sein Drohen mir gegenüber klar zu machen, welche Position er einnehmen möchte. Er kann dies ebenso bei seinen anderen Schwarmmitglieder austesten (mit denen kommt er aber "merkwürdiger Weise" zurecht, diese werden hingegen nicht gebissen oder laufend bedroht wie manch andere Halter aus eigenen Erfahrungen wissen). Das lasse ich als Halter erst gar nicht zu, er kann von mir aus bedrohen wenn er will, das Drohen des Papageien meinerseits hingegen verläuft ins Leere (er darf keinen Erfolg in seiner Handlung sehen / ansonsten sind wir wieder bei: Käfig / Gardienenstange / das ganze Zimmer). Diesen kleinen Anfängen des Austestens sollte man strikt entgegenwirken, um ein sorgloses Miteinander garantieren zu können. Wie gesagt; es fängt mit kleinen Schritten des Austestens von seiten des Papageien an, auf diese Signale sollte man als Halter entsprechend reagieren können.


    Dieser Lerneffekt, den die Vögel im Umgang mit den Haltern haben, das prägt sie.


    Fallbeispiel:


    Nachstehneder Papagei (eine Naturbrut) war äußerst scheu, was ein einfangen / transportieren erschwerte. Das sah ich, als ich diesen vom damaligen Bersitzer abholte.
    Ich habe diesen nun mittlerweile 2 Jahre und es ist so ein liebes Tier geworden, welches in keinster Weise mehr mit dem "Unhold" vor 2 Jahren zu vergleichen wäre.
    Auch dieser Vogel weiß um meine Stimme, daß ab und an mal ein kleines Leckerlie in der Tasche versteckt ist. Der Vogel hat also gelernt, daß er mit mir Angenehmes verbinden kann.
    Er ist so zutraulich geworden, daß dieser der Erste ist, der angeflogen kommt, sich auf seinen Baumstamm setzt und mich beobachtet. Gibts dann noch eine Nuß, ist er glücklich.
    Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wer hat hier wen trainiert. Ganz einfache Antwort; es ist nur ein gegenseitiges Auskommen --------------- auch wenns keine Nuß oder Leckerlie gibt.


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    MFG Jens