Papageien – eingesperrte Farbenpracht

  • Hallo Heidrun,


    ich schrieb nicht Amazonen, sondern verschiedene Papageienarten. In Expansion begriffen sind der Halsbandsittich und der Mönchsittich. In Freiland sind auch Großer Alexandersittich, Pennantsittich, Singsittich und einige andere ausdauernd, wenn auch nur sehr lokal. Die Amazonen in Stuttgart sind bei aller Schwierigkeiten mit unserem Klima auch relativ ausdauernd. Seit 1983 ist ihre Zahl von 2 auf 30 im Jahr 2002 angestiegen (Link).


    Die Anpassung an die Jahreszeiten Mitteleuropas hat einerseits einen Grund in der Lichtdauer und -intensität, andererseits einen Grund im Nahrungsangebot. Sie sind also den selben Begrenzungsfaktoren unterworfen wie die heimischen Tiere. Zugvögel weichen aus, Standvögel halten aus, mitunter unter Erleidung großer Verluste. Weil Papageien keine Zugvögel sind, haben sie die selben Probleme. Weil sie schlechter an Kälte angepasst sind, haben sie gesundheitliche Schäden zu erleiden. Bei den hier abgebildeten Exemplaren sind keine Schäden durch Frost zu erkennen. Mir persönlich ist nicht bekannt, wie die Tiere die Auswirkungen dieses extremen Winters 2009/2010 kompensiert haben. Die Bilder sind aktuell von diesem Frühjahr. Bei den Stuttgarter Amazonen wäre noch zu klären, inwieweit nicht auch degenerative Prozesse durch Inzucht stattfinden, weswegen die Reproduktion rückläufig ist.


    Meine Darstellung verweist auf die Anpassungsfähigkeit an klimatische Anforderungen, welche unter Haltungsbedingungen mit Zugang zu Schutzräumen wesentlich abgemildert werden. Die speziellen Ausführungen von Dir, Heidrun, zu den Amazonen in Stuttgart sind interessant, tun zur Sache im Sinne dieser Diskussion aber nichts dazu. Man kann konstatieren, dass eine Papageienhaltung auch unter Berücksichtigung unseres Klimas in Freivolieren mit Zugang zu einem Schutzraum möglich ist. Die jahreszeitlichen Schwankungen der Lichtdauer und Intensität sind offenbar kein Nachteil für die Tiere, sondern Auslöser für Verhaltensänderungen. Die Präferenz bestimmter Nahrungsbestandteile sind ein Hinweis auf die jeweilige Konstitution der Tiere und sollte in einem physiologischen Zusammenhang untersucht werden. Von uns selbst können wir feststellen, dass wir zu verschiedenen Zeiten bestimmte Nahrungsbestandteile anderen vorziehen. Die Präferenz von Nahrungsbestandteilen in den Haltungssystemen sind naturbedingt von im Freiland lebenden Artgenossen verschieden, weil die Anforderungen an den Organismus andere sind.


    Grüße, Alex

  • Teil 1:


    Ein Verbot der Haltung von Papageien (ausgenommen Exemplare in schon existenten privaten Haltungen und Haltungen in wissenschaftlichen Einrichtungen) anzustreben, ist nicht nur aus den bereits skizzierten Gründen geboten.


    Von gleichrangiger Bedeutung sind Artenschutz und artenschutzrechtliche Aspekte. Tier- und Artenschutz sind zwei Seiten einer Medaille. Auf durch private Haltungen direkt und/oder indirekt tangierte Aspekte des Artenschutzes werde ich im Verlauf des Postings (so ausführlich in diesem Rahmen möglich) eingehen.


    Zunächst: Papageien fliegen dem potenziellen Halter nicht einfach in die Stube. Sie werden in aller Regel käuflich erworben. Eine (von mehreren) Möglichkeiten des Erwerbs bietet der Zoohandel. Eine Arbeit aus dem Jahr 2009 (vgl. angehängte Bilddatei tö_00) zeigt erschreckende Defizite der Haltungsbedingungen bei/von „Ziervögeln“ in Zoofachgeschäften auf. Nachstehend einige Ergebnisse der Untersuchung in 50 bundesdeutschen Zoohandlungen (darunter auch Filialen von Zoohandelsketten):


    Auszüge:


    Allgemein:


    "Aufgrund der Tatsache, dass von den ca. 70 angefragten Geschäften ca. 20, die zumindest teilweise einen auf den ersten Blick schlechten Eindruck vermittelten, eine Untersuchung verwehrten, ist davon auszugehen, dass die in dieser Arbeit ermittelten Ergebnisse insgesamt positiver ausgefallen sind, als sie es unter Einbeziehung dieser Geschäfte gewesen wären."


    "Eine Untersuchung in (Örtlichkeit in der Originalarbeit nachzulesen / von mir aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gepostet) musste schon während der Anfangsfragen abgebrochen werden; die Betreiberin forderte mich dringend auf, das Geschäft zu verlassen. Die Zustände in diesem Zoogeschäft waren katastrophal. (...) In (s.o.) wurde eine zunächst erlaubte Untersuchung nach einiger Zeit vom Geschäftsbetreiber abgebrochen, da er nicht bereit war, an ihn gestellte Fragen zu beantworten (...). Ein Geschäftsverbot in (s.o.) wurde sofort nach der persönlichen Anfrage ausgesprochen; der Geschäftsführer war sich wohl im Klaren darüber, dass die dortige Tierhaltung kritikwürdig ist. (...) 2 Untersuchungen mussten abgebrochen werden, da die Betreiber nachträglich die vorher ausgesprochene Genehmigung widerriefen."


    "Leider konnten in einigen Fällen auch in Geschäften mit teilweise sehr schlechten Haltungsbedingungen auf Nachfragen häufiger keine Vorschläge zur Verbesserung der Situation vorgebracht werden. In solchen Fällen bleibt zu hoffen, dass tatsächlich „die Nachfrage das Angebot regelt“, wie es einer der Geschäftsbetreiber formulierte, indem interessierte Käufer solche Geschäfte meiden und keine Mitleidskäufe tätigen, die leider nach eigener Beobachtung unter „Mehrtierbesitzern“ immer noch häufig vorkommen."



    Bezugsquellen der Vögel:


    "Die Befragung nach den Bezugsquellen der Vögel stieß auf große Zurückhaltung der Geschäftsbetreiber. In 21 Geschäften war gar keine Antwort zu erhalten, und in den übrigen 29 Geschäften wurden Antworten gegeben, die mit großer Wahrscheinlichkeit nur teilweise richtig oder erschöpfend waren."


    Ausbildungsstand / Personal:


    "Nur 33 % des zuständigen Personals besitzen (...) eine fachgerechte Ausbildung." (...) wurde eine Fortbildung bewusst und mit folgenden Begründungen abgelehnt: Seminare sind dummes Gerede. Mitarbeiter in Zoogeschäften wollen am Wochenende frei haben. Die Nachfrage regelt das Angebot."



    Käfige:


    "(...) genügen 78 % aller erfassten Käfige nicht den diesbezüglichen Empfehlungen des BMELF und 72 % nicht denjenigen der TVT." (...) "Den Amtstierärzten ist dringend geraten, Käfige und Volieren auszumessen und die Abmessungen direkt mit den entsprechenden Listen und den dazu gehörenden Vogelarten abzugleichen, da, wie bereits erwähnt, 78 % aller Käfige die geforderten Mindestabmessungen des BMELF unterschreiten." (...) Bei 273 (63 %) Käfigen bestand für die Vögel überhaupt keine Möglichkeit, in Wasser zu baden." (Grafische Darstellung siehe angehängte Bilddatei tö_01)


    "Zwanzig (40 %) Käfiganlagen sind in den Geschäften frei zugänglich aufgebaut und bieten gar keine Vergrößerung der Fluchtdistanz über die Käfigtiefe hinaus an."


    "Nur 133 (33 %) der beurteilten Käfige wiesen eine ausreichende, mindestens 1 cm hohe Einstreu aus."



    Quarantänemöglichkeit:


    "Nur 20 Geschäfte (40 %) konnten das tatsächliche Vorhandensein oder die konkrete Möglichkeit der Einrichtung eines Quarantäneraums nachweisen (...). Drei Geschäfte hatten ihren Quarantäneraum (...) auf der Toilette (...). Nach Augenschein genügen 60 % aller Geschäfte nicht den gesetzlichen Bestimmungen, da sie über keinen Quarantäneraum verfügen."


    Artenkennzeichnung und Haltungshinweise:


    Vgl. angehängte Bilddatei tö_02



    Futter / Fütterung:


    "(...) fordert das BMELF (1996) schon für den Privathalter, erst recht aber für den Geschäftsbetrieb, dass „eine besondere Sorgfalt auf abwechslungsreiches geeignetes Futter zu legen ist und deshalb je nach Vogelart Keimfutter, Obst, Gemüse, Grünfutter und zumindest während der Jungenaufzucht, tierisches Eiweiß angeboten werden muss." 60 % aller untersuchten Geschäfte kamen dieser für die Vögel lebenswichtigen Aufforderung zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht nach; 52 % gaben gar kein Zusatzfutter, 8 % nur Sämereien zusätzlich."

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    Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will. (Albert Schweitzer)

  • Teil 2:


    Verweildauer:


    "Die kürzeste Verweildauer betrug 5 Stunden für 2 Nymphensittiche, die längste dagegen 5 Jahre für einen Weißhaubenkakadu. (...) Seit mindestens 3 Monaten befanden sich 287 Vögel (20,8 %) in den Geschäften. Die mittlere Verweildauer für diese Vögel betrug 7,8 Monate."



    Morphologische Befunde: Unnatürliche Veränderungen, Erkrankungen, Verletzungen:


    "Die Umstände der Vogelhaltung in Zoofachgeschäften mit ihrer Vielzahl zusätzlicher Stressfaktoren führt (...) geradezu zwangsläufig zu einer erhöhten Anzahl kranker Vögel (...)"


    "Morphologische Befunde gab es bei 851 (32,5 %) der 2.618 erfasssten Vögel (...). Bei 637 Vögeln (24,3 %) gab es Probleme an Ständern, Zehen und Krallen in 193 (44 %) der Käfige. (...) Ohne Berücksichtigung der Schädigungen des Schwanzgefieders wiesen (...) 540 Vögel (21 %) auffällige Veränderungen ihres Gefieders auf. Defektes Schwanzgefieder hatten insgesamt 346 Vögel (13 %) (...) muss festgehalten werden, dass sich zum Zeitpunkt der Untersuchung mehr als ein Viertel der zum Verkauf angebotenen Vögel nicht in einwandfreiem Gesundheitszustand befanden." Parasiten: 57 (19 %) der untersuchten Proben waren positiv (...). (...) In 22 Geschäften (...) war ein Endoparasitenbefall nachweisbar. (...) 56 % aller Geschäfte haben mindestens einen Käfig, in dem die Vögel mit Endoparasiten infiziert waren." Chlamydien: "In 22 (...) untersuchten Geschäften (73 %) gelang zumindest ein positiver Chlamydophila-Nachweis."


    "In den meisten Geschäften werden Krankheitsprobleme der Tiere anscheinend weitestgehend ignoriert. Die Verluste durch tote Tiere werden zum Teil nur unter finanziellen Gesichtspunkten wahrgenommen. Die vorgefundene Zahl kranker Vögel (...) macht deutlich, dass das Geschäftspersonal häufig nicht in der Lage ist, kranke von gesunden Vögeln zu unterscheiden (...)."


    Ausgeprägte Verhaltensauffälligkeiten wurden u. a. bei Rosakakadus, Venezuelaamazonen, Kongopapageien, Beos, Graupapageien, Weißhaubenkakadus, Mohrenkopfpapageien konstatiert.



    Euthanasie:


    "In einem Fall konnte beobachtet werden, wie ein kranker Wellensittich durch den Geschäftsinhaber "euthanasiert" wurde; er warf den Vogel mit Wucht auf den Boden. In der Regel wird aber nicht euthanasiert, sondern die Tiere sterben ohne äußeres Zutun."



    Quelle: Tönnies, K. (2009): Darstellung der Haltungsbedingungen von Ziervögeln anhand der Praxis in 50 Zoofachgeschäften in den Jahren 1994 bis 1996 und Beurteilung der dort vorgefundenen Haltungsbedingungen unter Berücksichtigung bestehender rechtlicher und anderer Vorgaben, Diss., Klinik für Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische, Justus-Liebig-Universität, Gießen


    Selbstverständlich gibt es auch Zoohandlungen, die sich um eine so weit möglich gute Unterbringung und Versorgung der zum Verkauf angebotenen Vögel bemühen. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß (vgl. die Zitate aus o.g. repräsentativer Untersuchung) trotz bestehender Vorgaben die Gesamtsituation auf dem Beschaffungs- und Angebotssektor völlig inakzeptabel ist und eigentlich verfügbare Kontroll- und Sanktionsmechanismen aus unterschiedlichen Gründen (vgl. hierzu u. a. Kuhtz, M. (1998 ): Möglichkeiten und Probleme beim Vollzug tierschutzrechtlicher Bestimmungen, Diss., Freie Universität Berlin, Institut für Tierschutz, Tierverhalten und Labortierkunde, Fachbereich Veterinärmedizin, Berlin / vgl. angehängte Bilddatei ku_00) nicht funktionieren – und bei realistischer Betrachtung auch nicht funktionieren können.


    Man kann sich natürlich auf die Position zurückziehen, daß man als um das Tierwohl bemühter Halter (oder Interessent an der Haltung von Papageien) die vorgenannten Mißstände schließlich weder verursacht noch zu verantworten habe. Eine solche Positionierung ist jedoch aus naheliegenden Gründen so "bequem" wie falsch. So lange es die Gesetzeslage zuläßt, wird es eine quantitativ und artbezogen je nach "Mode" wechselnde Nachfrage nach Papageienvögeln geben, bei/zu deren "Befriedigung" die zitierten Umstände nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind (und bleiben werden).

    Wie im zweiten Abschnitt dieses Postings erwähnt, nun zu der Berechtigung der Ablehnung der privaten Papageienhaltung (mit)begründenden Artenschutzaspekten. Trotz des aus Anlaß der "Geflügelgrippe" verhängten (grundsätzlich begrüßenswerten) Einfuhrverbots der Wildbahn entnommener Vögel in EU-Staaten und trotz Ausfuhrquotierungen (Anmerkung: Wer sich über einzelne Quoten informieren möchte, kann dies u. a. unter http://www.cites.org/eng/resources/species.html</a> tun) von Unterzeichnerstaaten der "Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora" (kurz: CITES) läuft der nur unzureichend kontrollierbare Handel mit Wildentnahmen in einem Umfang weiter, der einige Arten an den Rand der Existenz gebracht hat (bzw. bringen wird/kann). Neben der Zerstörung und Einengung natürlicher Lebensräume von Papageienvögeln war/ist ein wesentlicher Faktor für die Reduzierung (bis hin zur Ausrottung) von Arten die Nachfrage nach Papageienvögeln zu Haltungszwecken. Sehr detaillierte Informationen hierzu bietet eine Arbeit aus dem Jahr 1996: Hummel M. E. (1996): Ökonomische Analyse des Papageienhandels am Beispiel Deutschland, Parrot Biology, Vol. 2, Jun. 1998, Arndt Verlag, Bretten. Auszug: "Mehr als die Hälfte der systematischen Gruppe der Psittaciformes droht derzeit mittelfristig von der Erde zu verschwinden. Einige der heute lebenden Arten gehen bereits einem unausweichlichen Untergang entgegen. (...) Trotz des Washigntoner Artenschutzabkommens und trotz zumindest auf dem Papier strenger Importbeschränkungen einiger Industrieländer, die ein Minimum an Artenschutz garantieren sollen, ist die Naturentnahme von Arten vielfach unkontrolliert und es findet ein reger Missbrauch statt." Um die erschreckenden Dimensionen der Reduktion von Freilandbeständen zur Deckung von "Haltungsbedürfnissen" ganz ausführlich nachvollziehen zu können, empfehle ich weiterhin die Lektüre von: Wright, T. et al. (2001): Nest Poaching in Neotropical Parrots, Conservation Biology, Vol. 15, No. 3, Jun. 2001 (m. W. ist die Arbeit mittlerweile auch zum freien Download im Netz verfügbar / vgl. Auszug / angehängte Bilddatei wr_01 / Verluste durch Nestraub im Vergleich zu natürlichen Verlusten).

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  • Teil 3:


    Derzeit wird der europäische Markt neben einigen weiteren "Einschleusungs-Staaten" vermehrt über den arabischen Großraum und Ostblockstaaten (mit Wildentnahmen) bedient. Jüngstes Beispiel:"Am 1. Februar 2010 wurden auf dem Flughafen von Douala in Kamerun etwa 1.000 Graupapageien (Psittacus erithacus) beschlagnahmt, die an Bord eines äthiopischen Flugzeugs illegal nach Kuwait und Bahrain geschmuggelt werden sollten. (...) Eine russische Frau wurde (...) verhaftet, weil sie 50 Agaporniden schmuggeln wollte (...)."(...) Nach wie vor werden (Anmerkung: Auf Seram) Molukkenkakadus und Erzloris (...) gefangen, da für sie gute Preise gezahlt werden (...)." (Quelle: PAPAGEIEN, Ausgabe 3/2010, Arndt Verlag, Bretten). Nach wie vor sind (Anmerkung: dies betrifft natürlich nur die aufgedeckten Fälle – die Dunkelziffer ist hoch) am Flughafen Schiphol Beschlagnahmungen an der Tagesordnung. Wer sich etwas intensiver mit der Materie befaßt (hat), wird darum wissen, mit welcher Leichtigkeit in den Niederlanden weiterhin Wildentnahmen (noch) "gängiger" Arten (je nach Art zu Dumpingpreisen) erhältlich sind. Beispiel: Angebot eines Händlers aus der Nähe von Werkendam = Bei Abnahme von 20 Venezuelaamazonen (Wildentnahme) pro Exemplar 50 Euro und als "Zugabe" ein Nachzuchtexemplar (Farbmutation / Lutino). Derartige Angebote bleiben natürlich nicht ungenutzt. Hierzu nochmals ein der freien Wertung des geneigten Lesers überlassenes Zitat aus der Arbeit von Tönnies: "Die Befragung nach den Bezugsquellen der Vögel stieß auf große Zurückhaltung der Geschäftsbetreiber. In 21 Geschäften war gar keine Antwort zu erhalten, und in den übrigen 29 Geschäften wurden Antworten gegeben, die mit großer Wahrscheinlichkeit nur teilweise richtig oder erschöpfend waren."


    Es ist hinlänglich klar, daß ein Verbot der privaten Papageienhaltung kurz- bis mittelfristig nicht durchsetzbar sein wird. Ein erster Schritt kann nur in einer Heraufsetzung der Anforderungen an Handel mit und Haltung von Papageien bestehen.


    Ich hege immer noch die Hoffnung, daß die von mir geposteten (in der Sache nachprüfbaren) Fakten zur Kenntnis genommen werden und bei einigen User/innen wenn schon kein Umdenken, so doch wenigstens ein "Nachdenk-Prozess" einsetzt.


    Abschließend: Das "Argument", private Haltungen von Vertretern der Ordnung Psittaciformes seien schon deshalb sinnvoll (oder gar notwendig), weil aus Haltungsbeobachtungen gewonnene (Er)Kenntnisse bezüglich Verhalten und/oder Morphologie für die Individuen selbst (oder die Art) einen Nutzen haben könnten, erweist sich in der Gesamtbetrachtung als absolut unzutreffend. Abgesehen von einigen wenigen (sehr ambitionierten) Privathalter/innen, die willens und in der Lage sind, Beobachtungen in den Vordergrund zu stellen und beispielsweise auch wissenschaftlichen Ansprüchen halbwegs genügende Ethogramme auszuarbeiten, ist die ganz überwiegende Anzahl der Halter/innen vorwiegend daran interessiert, exotische Hausgenossen (mit den Attributen "zahm", "lieb", möglichst "sprechend") ihr Eigen zu nennen. Sind wider (meist falsches) Erwarten die genannten Attribute nicht verfügbar, übt man sich in "Verhaltensbeeinflussungen" der unterschiedlichsten Art, während tatsächlich vorhandene Kenntnisse des Normverhaltens gar nicht erst "abgerufen" (ächz - da muß man sich ja richtig bemühen), geschweige denn auf die Haltung angewendet werden.


    Gruß
    Heidrun

    Ist eine Sache einmal verdorben, so nutzt es nichts mehr, im Nachhinein mit "Liebe" und "Pflicht" herumzufuchteln. (lieh-tzu)
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  • Teil 1


    Nochmals: Auswilderungen von Vögeln "papageienmüder" und/oder "prinzipientreuer" Halter/innen sind aus vielerlei Gründen (einige davon wurden bereits benannt) nicht so simpel zu bewerkstelligen, wie manche Halter/innen sich das in fast kindlicher Naivität vorstellen.


    Nicht nur Wilson et al. (vgl. angehängte Bilddatei wi_00) weisen aus leidvoller Erfahrung u.a. auf die “risks of exposure to disease” bei der Aufstockung von Freilandbeständen durch Exemplare aus Haltung (Nachzuchten) hin. Diese Risiken sind nicht auf eine spezielle Art beschränkt, sondern artunabhängig bei allen derartigen Projekten vorhanden. Ein entsprechend fundiertes und aufwändiges Risikomanagement ist erforderlich.


    Einige Zeilen aus o. g. Arbeit.


    "The transfer of live animals or eggs to non-native areas always increases the risk of exposing immigrants to pathogens to which they are not adapted and the risk of spreading pathogens from one area to another (Ashton & Cooper, 1989; Gaskin, 1989). (…) introduction of infected captive animals into the wild can also reduce reproduction of wild populations. (…) (…) and because of severe risks of contamination of wild populations of endangered species by infected individuals from captivity (…)."


    [Das Verbringen von lebenden Tieren oder Eiern in fremde Areale vergrößert stets die Gefahr, die eingebrachten Tiere Krankheiten auszusetzen, an die sie nicht angepaßt sind und die Gefahr, Krankheiten von einem Gebiet in ein anderes auszubreiten (Ashton & Cooper, 1989; Gaskin, 1989). (...) kann das Einbringen infizierter Tiere aus Haltungen in freilebende Gruppierungen auch die Fortpflanzung der Wildpopulation reduzieren. (...) und wegen der hohen Gefahr der Infektion der Wildpopulationen der (Anmerkung von mir: in ihrer Existenz) gefährdeten Arten durch infizierte Exemplare aus Gefangenschaftshaltung (...)]


    Und was hat zu der Notwendigkeit geführt, bezüglich einiger nunmehr "endangered species" trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten über "restocking"-Programme nachzudenken und derartige Programme ggf. als Chance anzusehen, bedrohte Freilandbestände wenigstens zu stabilisieren? Die Antwort ist erschreckend einfach: Natürlich nicht ausschließlich, jedoch zu einem erheblichen Anteil der Wunsch (und damit die Nachfrage) nach exotischen "Hausgenossen". Mittlerweile ist eine Situation eingetreten, die befürchten läßt, daß auch bei Arten, die bisher als in ihren Beständen (noch) relativ stabil galten, hinsichtlich der Anzahl freilebender Individuen bedenkliche Rückgänge zu verzeichnen sind. Bezüglich mancher Arten werden munter (und ganz legal) Exemplare aus Freilandbeständen entnommen, obwohl zu den betreffenden Arten nicht einmal konkretere Bestandsdaten vorliegen. Um das (auch in dieser Diskussion) zu erwartende Argument, innerhalb der EU werde (u. a. bedingt durch das bestehende Importverbot) ganz überwiegend auf Nachzuchten zurückgegriffen, zu entkräften: Die EU ist nicht der Nabel der Papageienwelt. Deutschland ebenfalls nicht. Trotzdem werden nach dem Importverbot auch (direkt) nach Deutschland (vorwiegend auf dem Luftweg) weiterhin Wildentnahmen eingeführt, wie die BfN- und Zollstatistiken verdeutlichen. "Allein in Frankfurt gab es (…) im Bereich Artenschmuggel 561 Aufgriffe mit insgesamt 111.838 Exemplaren (…)". (WWF (2009): WWF und Zoll – Kampf gegen den Artenschmuggel) Davon erlitten/erleiden immer noch nicht wenige den sog. DOA (Dead on Arrival), d. h., sie sind bei Ankunft bereits verendet – vgl. angehängte Grafik doa_00 aus: Schütz, C. (2003): Transport Losses of CITES-Protected and non protected Animal Species, BfN-Skripte 90, S. 37. Auf dem Wege der Ausnahmegenehmigung legalisierte Einfuhren (unterschiedlichen Ursprungs) sind dabei noch unberücksichtigt. Eine in dieser Hinsicht hochinteressante Lektüre bieten auch die Monatsskripte "ZollAktuell". Nachhaltige Verbesserungen sind mittelfristig nur durch "Shiften" des Nachfrageverlaufs bei zu erwartenden Effekten nachfragewirksamer Markteingriffe (Effect of government demand politics) zu erzielen. "Dabei verändert sich im Zusammenwirken von Angebot und Nachfrage die ursprünglich gleichgewichtige Preis-Mengen-Kombination z.B. einer bestimmten betrachteten Spezies (P1Q1) und es werden entsprechend weniger Vögel (Q*) zu einem geringeren Preis (P*) in der Periode am Markt umgesetzt. N1 stellt dabei die Preis-Absatzfunktion im Ausgangszustand, N* diejenige nach Wirksamwerden der staatlichen Maßnahme dar." (Liebenstein, H. (1996): Bandwagon-, Snob- und Veblen-Effekte in der Theorie der Konsumentennachfrage, in: Streissler E. & M. Streissler (Hrsg.), Konsum und Nachfrage, S. 236 / vgl. angehängte Grafik shift_01). Klartext: Nur wenn die Nachfrage durch entsprechende Haltungseinschränkungen bei strenger Kontrolle und Sanktionierung nicht einer dringend notwendigen Modifikation der gesetzlichen Rahmenbedingungen entsprechender Handlungsweise reguliert wird, können die gewünschten Effekte (Senkung der Attraktivität des Fangs und Handels mit Wildentnahmen wg. Einbruch der Preisstruktur bei Fängern, Zwischenhändlern und Endhandel) eintreten. Gleichzeitig müssen die Möglichkeiten der Aufdeckung und Durchleuchtung der Infrastrukturen des illegalen Tierhandels in jeder Hinsicht eine höhere Priorität erhalten. Hier sind Verbesserungen dringend erforderlich, wie u. a. dem Bericht der EU-Kommission des FVO (Food and Veterinary Office) zu entnehmen: "Die Ausstattung, der Personalbesatz sowie die Kontrolle der Grenzstellen sind im EU-Mitgliedsland Deutschland dem jeweiligen Bundesland unterstellt. Dies führt zu sehr unterschiedlichen Arbeitsweisen und einer verschiedenen Personaldichte in den jeweiligen Grenzkontrollstellen (…) dass die Bundesveterinärverwaltung nicht garantieren kann, dass die Veterinärkontrollen von (…) lebenden Tieren aus Drittländern gemäß den Richtlinien 97/78/EG und 91/496/EWG durchgeführt werden. (…) Eine zufriedenstellende Anwendung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften kann auf Grund des Personalmangels nicht garantiert werden. (…) wurde die mangelnde Kommunikation mit den nachgeschalteten Zollbehörden kritisiert. (…) In Frankfurt/Main werden die Bestimmungen des Art. 9 der Richtlinie 91/496/EWG hinsichtlich der Kontrolle lebender (…) Tiere nicht erfüllt."

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  • Teil 2





    Zwecks Verdeutlichung der real existenten Haltungswünsche, oder sollte ich schreiben: "Anforderungsprofile" an den Wunschvogel?, einige repräsentative Auszüge aus den Kleinanzeigen in PAPAGEIEN 9/2009 (Anmerkung: Die Angebote bzw. Angebotseigenschaften unterscheiden sich von Ausgabe zu Ausgabe kaum):

    Rubrik "Gebe ab":


    "Blaustirnamazonenbabys, superzahm, Handaufzucht / Kubaamazone, zahm / Gelbnackenamazonen, handzahm / Gelbscheitelamazonen, handzahm / Gelbbrustara, handzahm / Gelbbrustara, superzahme Handaufzucht / Gelbbrustarababys, superzahm, handaufgezogen / superzahme handaufgezogene Gelbbrustarababys / Tritonkakadu, handzahm / 2 Rosakakadus, Handaufzucht, superzahm / Rosakakadus, superzahme Handaufzucht / handzahme Kongograupapageien / Kongograupapageien, zahme Handaufzucht in der Familie / Rüppels Papagei, handzahm / Graupapageien, beide sprechen / schöne handzahme Graupapageienbabys / Kongo-Graupapageien, superzahm / Graupapageien, superzahme Handaufzucht / Graupapageienbabys, superzahme Handaufzuchten / Kongograupapageien, handzahm / Kongo-Graupapageien mit rotem Gefieder, zahme Handaufzucht / Superzahme Graupapageien, Handaufzucht / Neuguinea-Edelpapagei, handzahm / Salomonen-Edelpapageien, zahme Handaufzucht / superzahme Schwarzohrpapageien, Handaufzucht /" usw.


    Rubrik "Suche":

    "Zwei Amazonenbabys, egal welche Art, es sollten Handaufzuchten sein / Handzahme Blaustirn-, Gelbscheitel-, Gelbnacken- und Doppelgelbkopfamazonen / Gelbbrustarababys, Dunkelrote Arababys und Hellrote Arababys zur weiteren Handaufzucht / zahmen Kakadu, evtl. auch Tausch gegen andere Papageien / handzahme Graupapageien / zahmen Edelpapagei /" usw.


    Angebot und Nachfrage (die "Kundenwünsche") sprechen für sich. Erzähle mir NIEMAND, daß diese Anbieter/innen oder Halter/innen einen Beitrag zur besseren Kenntnis der jeweiligen Art leisten werden, leisten können, oder überhaupt leisten wollen. Erzähle mir NIEMAND, daß sich mehr als vielleicht 5 % dieser Anbieter/innen oder Halter/innen auch nur am Rande für Artenschutzaspekte interessieren.


    Das sind die Realitäten – und nicht die "frommen" Vorstellungen einer weitgehend in sich geschlossenen virtuellen "Forengemeinde", die nur einen kleinen (und davon noch den besseren) Teil der Halter/innen und Haltungen repräsentiert. Und selbst bei diesem "besseren" Teil sind quer durch die Internetforen (sofern eine Sparte "Artenschutz" eingerichtet wurde) kaum entsprechende Beiträge – und erst recht keine längeren Diskussionen – zu lesen. Wenn sich die Betreiber/innen von Foren mit "Artenschutzsparten" die Mühe machen würden, die Zahl der Zugriffe auf Beiträge in diesen Sparten mit der Zahl der Zugriffe auf sonstige Beiträge zu vergleichen, so würde sich (dessen bin sicher) in aller Deutlichkeit zeigen, wo die Interessensschwerpunkte liegen.


    Und das ist eine weitere Realität:Überfüllte (oft in jeder Hinsicht überforderte und erst rechtnicht flächendeckend verfügbare) Auffangstationen für Vögel derOrdnung Psittaciformes und die nicht selten fast verzweifelte Sucheüberforderter Halter/innen nach Aufnahmeplätzen für "ihre" aus

    unterschiedlichen Gründen nicht mehr haltbaren (zuweilen total "vermurksten") superzahmen "Hauspapageien", sind mehr als nur Indizien dafür, daß eine sukzessive Einschränkung der Möglichkeiten privater Haltung dringend erforderlich ist.


    Auszug aus der Mail einer "Mitstreiterin" aus der Schweiz:


    "(…)Leider führen die Auffangstationen oft nicht Buch bzw. Statistik über die eingehenden Vögel (Aufzuchtmethode, Abgabegründe, Haltungsform (außerdem können ohnehin inzwischen gar keine Vögel mehr aufgenommen werden). Statements und bestenfalls Belege dieser Auffangstationen werden jedoch u.a. wahrscheinlich auch nötig sein um auf die betr. Tierschutzstelle zus. Druck zu machen.(…)"


    Zum Schluß: Restriktive Regelungen auf nationaler Ebene mit dem langfristigen Ziel eines Halteverbots für Wildtiere und eine Angleichung der entsprechenden Gesetzgebung auf EU-Ebene sind im Sinne des Tier- und Artenschutzes notwendig. Kurz- und mittelfristig ist dafür Sorge zu tragen, die Haltung von Wildtieren in bereits bestehenden Haltungen (durch administrative Maßnahmen und Aufklärungsarbeit) zu verbessern.

    Gruß

    Heidrun

    Ist eine Sache einmal verdorben, so nutzt es nichts mehr, im Nachhinein mit "Liebe" und "Pflicht" herumzufuchteln. (lieh-tzu)
    Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will. (Albert Schweitzer)

  • "Heimtierpopulationen in Deutschland 2009: Vögel 3,4 Mio."


    "Die deutsche Heimtierbranche entwickelt sich weiter positiv. Nach einem merklichen Umsatzplus im Jahr 2008 wuchs der Markt für Heimtierbedarf in 2009 erneut: Mit insgesamt 3.603 (also 3,6 Milliarden) Euro lag der Gesamtumsatz 2,2 Prozent über dem Vorjahresniveau."


    "Umsatz Fertignahrung / Ziervogelfutter / 2009 / 56 Mio. Euro"


    "Umsatz Zubehör / Ziervögel / 44 Mio. Euro"


    Anmerkung: Umsatzzahlen bezüglich Absatz lebender Tiere = Fehlanzeige.


    Quelle: Zentralverband zoologischer Fachbetriebe ZZF (2010): Der deutsche Heimtiermarkt - Umsatz- und Strukturdaten 2009, Wiesbaden


    "Papageien sind eine der am meisten bedrohten Vogelgruppen auf der Erde. Ihr Status ist besonders akut gefährdet in den Neotropen, wo über ein Drittel aller Arten im kürzlich erschienenen Papageien-Aktionsplan vom Risiko des weltweiten Aussterbens betroffen ist. Von den zu diesem Niedergang führenden Faktoren sind zwei von größter Wichtigkeit: Verlust von Lebensraum und der Fang von Nestlingen für den Heimtierhandel. Trotz des weitverbreiteten Einverständnisses, dass der Heimtierhandel vielen Papageienpopulationen schadet, gibt es überraschend wenig erhältliche Daten über das Ausmass des Papageienhandels und das unerlaubte Fangen von Nestlingen, mit dem er angeheizt wird. Daher hat es sich als schwierig erwiesen, die langfristigen Auswirkungen der widerrechtlichen Nestlingsentnahmen abzuschätzen und zu Kontroversen über den Wert des Schutzes aufgrund von unternommenen Anstrengungen zur Reduktion des internationen und nationalen Papageienhandels geführt."


    Quelle: Wright, T. F. & C. A. Toft (2000): Widerrechtlicher Fang von Nestlingen für den Handel, Psittascene, Vol. 13, No. 3 / Übertragung v. Franziska Vogel


    "Die Behauptung, dass "Züchter in erster Linie zum Vergnügen züchten" traf auf alle Züchter vor ein paar Jahrzehnten zu. Falls das heute jemand glaubt, dann macht er/sie sich Illusionen. Wenn es denn wahr wäre, warum werden dann ein Grossteil der Zuchtpaare in völlig ungeeigneten Umständen hinsichtlich Platz und Stimulation gehalten? Es bereitet wenig Vergnügen (außer im Portemonnaie) intelligente, verspielte und sensible Vögel in dieser Weise zu halten. Warum ähneln so viele Zuchtanlagen Zuchtfabriken aus Draht?"


    Quelle: Antwort von Rosemary Low (wahrscheinlich einigen Leser/innen durch ihre Buchveröffentlichungen bekannt) auf die gg. kritische Beiträge des WPT hinsichtlich Papageienzucht gerichtete Beschwerde eines Züchters / Psittascene, Vol. 13, No. 3 / Übertragung v. Franziska Vogel


    "Falbesaner (1991) analysierte ca. 3.000 Briefe aus den Jahren 1987 und 1988 an eine Tierzeitschrift hinsichtlich der Probleme der Tierhaltenden mit ihren Heimtieren. Von den Anfragen betrafen 14 % die Haltung, 12 % die Gesundheit und 11 % das Verhalten der Heimtiere; 30 % der Briefe bezogen sich auf Vögel (...)."


    Anmerkung: Fast ein Drittel der Problemanfragen bezog sich auf Vögel, obwohl Vögel nur annähernd ein Sechstel der gehaltenen Heimtiere repräsentieren. Aktuellste Statistik: 5,4 Mio. Hunde, 5,6 Mio. Kleintiere, 8,2 Mio. Katzen, 3,4 Mio. Vögel (ZZF) / vgl. angehängte Grafik zzf_00). Womit DAS wohl zusammenhängen könnte?


    Quelle: Sekundär: Steiger, A. (2005): Tierschutzprobleme in der Heimtierhaltung - was trägt die Forschung bei? Tagungsbericht DVG_Tagung, "Ethologie und Tierschutz", Vetsuisse-Fakultät, Abt. Tierhaltung und Tierschutz, Universität Bern / Primär: Falbesaner, U. (1991): Probleme in der Heimtierhaltung - Auswertung von Leseranfragen an eine Tierzeitschrift, Diss. med. vet., Ludwig-Maximilian Universität, München


    Stichwort Gesundheit (s. o.): "A major reason why private breeders cannot participate in breeding programmes for endangered species is the desease-risk. In the past couple of decades viral diseases have had a very serious impact on parrot collections worldwide. These diseases are the result of mass export of wild-caught parrots, where birds are held in insanitary and overcrowded conditions. Wild parrots have lived with this veruses for eons but in times of stress they surface. Also, when birds from different continents are kept in the same premises, they encounter viruses to which they have no resistance, with fatal consequences."


    ["Ein Hauptgrund, warum private Züchter an Zuchtprogrammen für gefährdete Arten nicht teilnehmen können, ist das Risiko von Krankheiten. In den beiden letzten Jahrzehnten hatten virale Erkrankungen weltweit einen sehr großen Einfluß auf Papageienbestände. Diese Krankheiten sind Resultat der massenhaften Ausfuhr von Wildfängen; wobei die Vögel unter unhygienischen und zusammengepferchten Bedingungen gehalten werden. Wilde Papageien sind seit Äonen von Jahren mit Viren zurechtgekommen, aber unter Streßbedingungen machen sich die Auswirkungen bemerkbar. Hinzu kommt, daß beim Zusammenbringen von Vögeln verschiedener Kontinente in der gleichen Haltung der Kontakt mit Viren, gegen die sie bisher keine Antikörper entwickeln konnten, tödliche Folgen haben kann."]


    Anmerkung: Schon aufgefallen, daß die Durchseuchungsraten von Haltungen mit unterschiedlichsten viralen Erkrankungen während der letzten Jahre immens angestiegen sind?


    Quelle: Low, R. (2003): The Worldwide Trade in Wild-caught Parrots, Proceedings of the Internation Aviculturists Society


    Auch das sind natürlich ALLES keine Argumente für ein perspektivisch anzustrebendes Haltungsverbot des Wildtiers Papagei. Also: Weiter so! Vielleicht ein ganz klein wenig anders. Wird schon werden. Oder?


    Gruß
    Heidrun

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    Ist eine Sache einmal verdorben, so nutzt es nichts mehr, im Nachhinein mit "Liebe" und "Pflicht" herumzufuchteln. (lieh-tzu)
    Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will. (Albert Schweitzer)

  • "(...) Negative Trends der Papageienhaltung liegen nach wie vor in der "Sammelleidenschaft" bestimmter Liebhaber für bedrohte Arten (rund 50 Papageienarten galten zu Beginn des 21. Jahrhunderts im Sinne des Washingtoner Abkommens als vom Aussterben bedroht) und seit einigen Jahren in der vermehrten Handaufzucht von Großpapageienbabies. Die Folge ist die "Produktion" einer großen Zahl von "Verhaltenskrüppeln", die später mit dem Auftreten massiver Verhaltensstörungen oftmals in die Obhut des Tierschutzes gelangen. Auffangstationen und "Papageienhäuser" entstehen vielerorts - und sind meist schnell mit der Menge der eintreffenden Vögel überfordert. (...)


    Gegenwärtig liegt eine weitere Gefahr im Perspektivwechsel bei der Einzelhaltung von Papageien. In der Folge des immensen Handaufzuchtgeschäftes wird derzeit nach Perspektiven und Rechtfertigungsversuchen für die "Wiedereinführung" der Einzelhaltung solcher zahmen Vögel gesucht. Erste "Verhaltenstrainer" für Mensch und Tier versuchen nun die inzwischen als unbiologisch und tierschutzwidrig erkannte Form der Papageienhaltung durch die "Hintertür" wieder einzuführen. Durch eine Art Verhaltenstraining (wie aus der Hunde- und Pferdehaltung bekannt) sollen durch konsequente Erziehungsmaßnahmen Verhaltensveränderungen bei den Tieren erzielt werden, um die auffälligsten Verhaltensstörungen der handaufgezogenen Papageien zu minimieren. Diese Sichtweise trägt nach Meinung des Referenten insofern bedenkliche Züge, als die den Wildtiercharakter der Papageien weitgehend unberücksichtigt lässt und die vorwiegend kommerziell orientierten Handaufzuchtbetriebe offenbar unkritisch unterstützt, ohne die Ursachen der Verhaltensstörungen zu berücksichten. Bemerkenswert daran ist, dass sich selbst ausgebildete Biologen mittlerweile zu Vorreitern dieses Trends machen (lassen), obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten. (...)"


    Quelle:
    Lantermann, W. (2007): 150 Jahre Papageienhaltung in Mitteleuropa in: Fachtagung "Papageienhaltung und Tierschutz" am 18.06.2007, Wien

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  • Hallo Heidrun,


    vielen Dank für deine sehr informativen und interessanten Beiträge. Man erfährt sehr viel über die Papageienhalltung/-halter und über die Papageien selbst.


    Ich finde es sehr schade, dass solche Postings nach kurzer Zeit im Nirwana des Forums verschwinden und nur per gezielter Suche wieder auffindbar sind. Gäbe es vielleicht eine Möglichkeit (ohne großen Aufwand) eine Art Bibliothek mit den wichtigen/interessanten und sehr fundierten Informationen einzurichten? Wenn man zu viele Themen oben anpinnt, wird es ja auch unübersichtlich.
    Aber gerade das Forum hier hat mir viel geholfen und viel Input gegeben (Informationen allgemein, Tipps zur Ernährung, Beschäftigung, etc.) . Ich fände es sehr gut, wenn das auch (nach einiger Zeit) anderen ohne langer Suche in kompakter Form zur Verfügung stehen würde.


    Vielleicht könnte man einige Dinge als PDF-Dateien zum Download zur Verfügung stellen?


    Viele Grüße
    Christa

  • Als unerschütterlicher Optimist hoffe ich, dass der Naturverbrauch möglichst bald in wirkliches Naturverständnis mündet. Dazu müsste man allerdings die Wegwerfunkultur bekämpfen, in der das Tier, wie jedes Ding benutzt und weggeworfen wird. Zum Glück gibt es ja noch ein Paar vernünftige Menschen.


    Grüße, Alex

  • Hallo Christa,


    (...) vielen Dank für deine sehr informativen und interessanten Beiträge. Man erfährt sehr viel über die Papageienhalltung/-halter und über die Papageien selbst.


    Ich finde es sehr schade, dass solche Postings nach kurzer Zeit im Nirwana des Forums verschwinden und nur per gezielter Suche wieder auffindbar sind. Gäbe es vielleicht eine Möglichkeit (ohne großen Aufwand) eine Art Bibliothek mit den wichtigen/interessanten und sehr fundierten Informationen einzurichten? Wenn man zu viele Themen oben anpinnt, wird es ja auch unübersichtlich.
    Aber gerade das Forum hier hat mir viel geholfen und viel Input gegeben (Informationen allgemein, Tipps zur Ernährung, Beschäftigung, etc.) . Ich fände es sehr gut, wenn das auch (nach einiger Zeit) anderen ohne langer Suche in kompakter Form zur Verfügung stehen würde.


    Vielleicht könnte man einige Dinge als PDF-Dateien zum Download zur Verfügung stellen?


    warten wir mal ab, was die Admins dazu sagen.


    Gruß
    Heidrun

    Ist eine Sache einmal verdorben, so nutzt es nichts mehr, im Nachhinein mit "Liebe" und "Pflicht" herumzufuchteln. (lieh-tzu)
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  • Fakt ist, daß (um exemplarisch nur eine von mittlerweile vielen in Haltungsbeständen "etablierte" virale Erkrankungen zu nennen) beispielsweise die Durchseuchungsraten hinsichtlich PDD (Proventricular Dilatation Disease) mittlerweile artabhängig bereits bei zwischen 30 und 70 % angelangt sind. Neuesten Untersuchungen zufolge ist hauptursächlich das sog. "Aviäre Bornavirus" (ABV).


    "Unsere Untersuchungen zeigen eine weite Verbreitung von ABV innerhalb der Ordnung Psittaciformes. Dabei konnte dieses Virus serologisch, immunhistochemisch und mittels PCR nachgewiesen werden."


    Quelle: Enderlein, D., S. Herzog, C. Herden, D. Neumann, T. Briese, E. F. Kaleta, M. Lierz, U. Heffels-Redmann, H. Müller (2009): Aviäres Bornavirus: Antikörper- und Genomnachweis in PDD-positiven Vögeln, Veterinärmedizinische Fakultät, Institut für Virologie, Universität Leipzig


    Fakt ist, daß Umstände und Umfang des weltweit unzureichend kontrollierten (und auch nur unzureichend kontrollierbaren) Handels mit (und Austauschs von) Vögeln der Ordnung Psittaciformes (landläufig: Papageien) fast zwangsläufig zu dieser bestenfalls für Veterinärmediziner günstigen Entwicklung führen mußte.


    Eines von vielen möglichen Beispielen:


    "A prospektive buyer took the precaution of carrying out blood tests on 4ß cockatoos. About 90 % of them proved positive for psittacine beak and feather disease. (...) The majority of these cockatoos will die from diseases contracted as a result of trade."


    ["Ein potenzieller Aufkäufer ließ vorsichtshalber Blutproben von 40 Kakadus analysieren. Etwa 90 % davon erwiesen sich hinsichtlich PBFD (psittacine beak and feather disease / Anmerkung von mir: Syn. Schnabel- und Feder-Krankheit der Papageien, Keratodystrophie) als positiv. (...) Die meisten dieser Kakadus werden an den durch die Umstände des Handels erworbenen Krankheiten sterben."]


    Quelle: Low, R. (2003: The Worldwide Trade in Wild-caught Parrots, Proceedings of the International Aviculturists Society


    "Virusbedingte Erkrankungen bei Papageienvögeln haben (...) ganz besonders an Bedeutung gewonnen. Die steigenden Zahlen der Zuchtbetriebe sowie der noch immer bestehende Handel mit Importvögeln wirkt sich auf die Verbreitung von Viruserkrankungen zunehmend aus."


    Quelle: Beck, I. & R. E. Marschang (2009): Wichtige virale Erkrankungen bei Psittaziden, Institut für Geflügelkrankheiten, Universität Gießen


    " (...) multi-species holdings in (...) private collections, and the pet trade is one reason captive psittacines are plagued with so many diseases. These multi-species congregations have provided enhanced opportunities for the transmission of infectious agents. (...) Such is the case with a psittacine herpesvirus known as Pacheco`s disease (...) and with a number of other avian diseases."


    ["Die Gemeinschaftshaltung mehrerer Arten in (...) Privathaltungen und der Heimtierhandel sind ein Grund dafür, daß Papageien unter Haltungsbedingungen von derart vielen Krankheiten geplagt werden. Diese Ansammlungen unterschiedlicher Arten bedingen ein erhöhtes Risiko bezüglich der Übertragung ansteckender Krankheiten. (...) das ist bei einem Herpesvirus, das Papageien befällt, bekannt als "Pacheco Krankheit" (...) und bei mehreren anderen Vogelkrankheiten der Fall."]


    Quelle: Gaskin, J. M. (1989): Psittacine viral diseases: A perspective, Journal of Zoo and Wildlife Medicine 20 (3), 249 - 264


    Wie sieht es mit der Beschaffungsmöglichkeit "Vogelbörse" aus? Leider ist auch hierzu feststellbar, daß Vogelbörsen nicht selten als potenzielle Vektoren für die Verbreitung und/oder das Einbringen infektiöser Erkrankungen in Bestände angesehen werden müssen - wie eine aktuelle Arbeit von Dr. R. Schöne zeigt.


    Auszüge:


    "Der Infektionsdruck durch Krankheiten auslösende Erreger ist während der Dauer der Börse enorm. Die Gefahr einer haftenden Infektion ist bei den Vögeln groß - und damit das Einschleppen von Krankheiten in den eigenen Bestand. Das gilt sowohl für neu erworbene Vögel als auch, wenn man selbst Anbieter ist, für die Vögel, die nicht verkauft werden konnten und wieder in den eigenen Bestand eingegliedert werden müssen. (...) Das natürliche Gleichgewicht, das in der Regel in freier Natur zwischen Erreger und Wirt herrscht, wird in der Obhut des Menschen infolge unterschiedlicher Haltungsbedingungen mehr oder weniger gestört. (...) Weiterhin variieren Zuchtbestände in vielfältiger Weise. In der Regel bestehen sie aus einem Sammelsurium von Papageienarten aus verschiedenen Herkunftsgebieten. Es ist aber bekannt, daß Papageienvögel unterschiedlicher Herkunftsgebiete unterschiedlich empfänglich für bestimmte Infektionskrankheiten sind und unterschiedlich empfindlich auf sie reagieren."


    Schöne kommt u. a. zu folgendem (ernüchterndem) Ergebnis: "Tierseuchenhygienische Aspekte werden nicht berücksichtigt. Tierärztliche oder amtstierärztliche Gesundheitsbescheinigungen, zum Beispiel über das Freisein der Vogelbestände der Verkäufer von Circoviren, Polyomaviren, Herpesviren (...) werden nicht gefordert. Jeder kannn praktisch jeden Vogel gleich welchen Gesundheitsstatus zum Kauf anbieten, er darf nur nicht sichtbar krank sein."


    Quelle: Schöne, R. (2009): Vogelbörsen aus tierseuchenhygienischer Sicht, in: PAPAGEIEN 9/2009. Arndt Verlag, Bretten, 301 - 303


    Wenn schon - wie auch in diesem Thread - u. a. fast stereotyp die hohe Anpassungsfähigkeit von Papageienvögeln (auf der Verhaltensebene) als ohnehin in dieser allgemeinen Form nicht taugliches Argument für die "Heimtiereignung" von Papageien in`s Feld geführt wird, so hege ich doch die Hoffnung, daß nach Lektüre der vorstehenden Passagen die individuen- und (in erweiterten Zusammenhängen) artgefährdend geringe Anpassungsfähigkeit an jeweils artfremde Viren erkannt wird.


    Das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. (2008 ) bringt es in seinem Grußwort zu "10 Jahre Papageienschutz-Centrum Bremen e. V." in ganz allgemeinverständlicher Form auf den Punkt:


    "Zur Gründung führte die in langjährigem Umgang mit Papageien gewonnene Einsicht, dass diese exotischen Flugtiere - seien es nun eingefangene Wildpapageien oder Zuchtpapageien - an der Gefangenschaft als Haus- oder Zootiere Schaden nehmen, weil es ihnen verwehrt ist, ihren natürlichen Bedürfnissen und Verhaltensweisen gemäß zu leben. Allein in Deutschland sind hiervon nach wie vor - unter Einbeziehung aller Papageienarten vom Wellensittich bis zum Ara - schätzungsweise 4-5 Millionen als Haustiere gehaltene Papageienvögel betroffen. Aus dieser Einsicht folgten die beiden grundlegenden Zielsetzungen des Papageienschutz-Centrums Bremen e. V..: Es will den weiteren Anstieg der in Gefangenschaft lebenden Papageien verhindern, um die Papageienhaltung insgesamt langfristig auslaufen zu lassen; und es will die Situation der schon in Gefangenschaft als Haus- und Zootiere lebenden Papageien durch das Eintreten für naturnahe Lebensbedingungen verbessern. Um den weiteren Anstieg der Anzahl der in Gefangenschaft lebenden Papageien zu verhindern, lehnt das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. die Nachzucht von Papageien und das Einfangen wild lebender Papageien strikt ab. (...) Solange es eine entsprechende Nachfrage gibt, wird es auch ein Einfangen wild lebender Papageien geben. Exportverbote bzw. Importverbote alleine reichen nicht aus: Sie verhindern das Einfangen wild lebender Papageien und den Handel mit Wildpapageien nicht, beides wird in der Illegalität fortgesetzt.
    (...)
    Allein durch Aufklärung wird sich das Tier- und Artenschutzproblem "Papageienhaltung" (...) nicht lösen lassen."


    Gruß
    Heidrun

    Ist eine Sache einmal verdorben, so nutzt es nichts mehr, im Nachhinein mit "Liebe" und "Pflicht" herumzufuchteln. (lieh-tzu)
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  • Der lange Leidensweg der Wildvögel


    "Die perfiden Methoden der Tierfänger werden am Beispiel der Wildvögel deutlich:


    Die Tiere werden brutal in Fangnetzen und Schlingen gefangen. Bei dem Versuch zu entkommen, brechen sich viele die Flügel oder strangulieren sich zu Tode. Für den Transport nach Europa werden die Tiere zu hunderten ohne ausreichende Wasser- oder Futterversorgung in enge, schmutzige Kisten verpackt. Schock, Angstzustände in den übervollen, dunklen Behältern, quälender Hunger und Durst lassen weitere der hochsozialen und sensiblen Tiere verenden. Falls sie den Transport überstehen, kommen sie am Bestimmungsort in Quarantäne. Isoliert und verwirrt erleiden hier weitere Tiere den Tod.


    Schätzungsweise mehr als 50 Prozent des Fangs stirbt, bevor die Tiere in den Verkauf gelangen. Immer höher müssen entsprechend die Fangquoten sein, denn die Nachfrage steigt. Das gilt auch für Nachzuchten. Oft können die privaten Käufer ihren exotischen Schützlingen gar keine artgerechte Haltung und Pflege bieten. So verenden auch noch die letzten Tiere als Prestigeobjekt in hiesigen Wohnzimmern"


    Quelle


    Gruß
    Heidrun

    Ist eine Sache einmal verdorben, so nutzt es nichts mehr, im Nachhinein mit "Liebe" und "Pflicht" herumzufuchteln. (lieh-tzu)
    Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will. (Albert Schweitzer)

  • Wenn man die Ausführungen in bezug auf die Papageien konsequent weiter denkt, so treffen die Auswirkungen durch Fang, Transport und Handel, sowie die Verbreitung (nicht nur) viraler Infektionen auf Ausstellungen und Börsen, die infektiösen Risiken durch Wiederauswilderung für frei lebende Populationen, die Folgen der privaten und professionellen Haltung auf Tier- und Artenschutz für das Tier auf ALLE Tierarten zu. Sie sind uneingeschränkt auf alle begehrenswerten Lebewesen übertragbar. Selbst das Einführen oder Exportieren von Pflanzen ist eine Gefährdung für die verschiedenen Ökosysteme und der einzelnen Arten durch Verbreitung von Schädlingen und Krankheitserregern. Daher ist es in Australien für das allgemeine Publikum sogar verboten, Früchte zum Verzehr aus dem Ausland einzuführen. Von den Folgen der Ausbreitung fremder Arten mit gravierendenden Veränderung der Ökosysteme und der Verdrängung oder Ausrottung von Arten ganz zu schweigen. Nicht begehrenswerte Lebensformen werden zumeist als Schädlinge bekämpft, im übrigen auch Papageien. Sie werden vergiftet, in Fallen gefangen und erschlagen oder abgeschossen. Der einst sehr häufige Carolinasittich wurde systematisch als Ernteschädling verfolgt, bis er ausstarb. Eine rechtzeitige, sachlich korrekt betriebene Haltung und Zucht hätte die Art eventuell retten können.


    Ein Verbot würde Tierhandel und Haltung in völlig unkontrollierbare Kanäle verlagern. Verbote und Regelungen für Fang, Handel und Import gibt es bereits. Sie werden, wie man weiß beflissentlich unterlaufen. Für die Zucht von Papageienvögeln gibt es nur geringe auflagen und das auch nur in bezug auf die Psittacose, welche wiederum von allen Vögeln übertragen werden kann. Die Tierhaltung konsequent zu verbieten ist unrealistisch und aus meiner Sicht unnötig. Die potentiellen Käufer sind in Hinsicht der Probleme, die mit der Anschaffung und Haltung des Tieres verbunden sind, a priori zu sensibilisieren. Der Einzelhandel hat bereits dazu die Auflagen in Punkto Sachkundenachweis, was wiederum nicht kontrolliert wird. Die Entscheidungen treffen die Käufer letztlich selber. Sie entscheiden, ob und welches Tier sie wie halten.


    Die Zucht gibt die Möglichkeit, auf Importe und Naturentnahmen zu verzichten. Selbst ökonomisch und verantwortungsvoll handelnde Händler versuchen die Verluste möglichst gering zu halten, denn jeder Verlust ist ein Verlust. Kunden, die das zu schätzen wissen, vertrauen auf die Ehrlichkeit eines solchen Händlers. Vertrauensbruch hat den Verlust des Kunden zur Folge. Der verantwortungsvolle Transport und Fürsorge von Tieren ist aufwendig und daher zwangsläufig teurer. Der Käufer entscheidet, welchen Preis er zahlt. Wie wir wissen, ist es stets der Billigste. Da kann man selbst als verantwortungsvoller Züchter nicht gegen an. So lange es Massenproduktion und Billigimporte für die Befriedigung der Kundenwünsche gibt, bleiben der Tierschutz und die Gewissenhaftigkeit auf der Strecke. Aufklärung erfolgt nicht über die Belehrung, sondern über die emotionale Beteiligung des Verantwortungsträgers am Tierleid. Letztlich liegt die Verantwortung für die Behandlung der Tiere bei den Haltern und Züchtern. Welche Vorstellung man von dem Tier hat, ist tatsächlich schwer zu beeinflussen.


    Schließlich ist ein wesentlicher Faktor für den Umgang mit Lebewesen jeglicher Art ein materialistisches Weltbild. Das betrifft alle, die diesem Kulturkreis angehören, nämlich uns. Dieses Problem wird man so bald nicht lösen können.


    Gute Nacht, Alex

  • Zu so später Stunde kurz und knapp:


    Wenn man die Ausführungen in bezug auf die Papageien konsequent weiter denkt, so treffen die Auswirkungen durch Fang, Transport und Handel, sowie die Verbreitung (nicht nur) viraler Infektionen auf Ausstellungen und Börsen, die infektiösen Risiken durch Wiederauswilderung für frei lebende Populationen, die Folgen der privaten und professionellen Haltung auf Tier- und Artenschutz für das Tier auf ALLE Tierarten zu. Sie sind uneingeschränkt auf alle begehrenswerten Lebewesen übertragbar.


    Das mag durchaus zutreffen, daß es ALLE Tierarten betrifft. ABER (ich erwähnte es bereits schon einmal) wir befinden uns hier in einem Forum für Papageienfreunde und/oder -interessierte.


    Zitat

    von alfriedro
    (...) Nicht begehrenswerte Lebensformen werden zumeist als Schädlinge bekämpft, im übrigen auch Papageien. Sie werden vergiftet, in Fallen gefangen und erschlagen oder abgeschossen. Der einst sehr häufige Carolinasittich wurde systematisch als Ernteschädling verfolgt, bis er ausstarb. Eine rechtzeitige, sachlich korrekt betriebene Haltung und Zucht hätte die Art eventuell retten können.


    Und? Was soll uns Deine Aussage vermitteln? Was ist für das betreffende Lebewesen erträglicher? Alex, sprichst Du hier im Sinne des Tieres oder im Sinne des Menschen?

    Zitat

    von alfriedro
    (...) Die Tierhaltung konsequent zu verbieten ist unrealistisch und aus meiner Sicht unnötig. (...)


    Wer will denn die "Tierhaltung" verbieten? Hier geht es gezielt um ein Verbot der Gefangenschaftshaltung von "Wildtieren" (Papageien), das von Menschen angestrebt und erhofft wird, die diesbezüglich langjährige Erfahrungen sammeln konnten - die genau wissen, wovon sie reden.

    Zitat

    von alfriedro
    (...) Die potentiellen Käufer sind in Hinsicht der Probleme, die mit der Anschaffung und Haltung des Tieres verbunden sind, a priori zu sensibilisieren. (...)


    Ja, dieser Versuch wurde schon vor Jahrzehnten gestartet und wenn sich nicht endlich für die betreffenden Tiere etwas sinnvolles ergibt, dann ist dieser abgedroschene Satz noch in 100 und mehr Jahren zu lesen.


    Zitat

    von alfriedro
    (...) Die Entscheidungen treffen die Käufer letztlich selber. Sie entscheiden, ob und welches Tier sie wie halten. (...)


    Genau diese Entscheidung muß dringlich abgeschafft werden - denn: Sie wissen nicht was sie tun (mit der Anschaffung eines Wildtieres)!


    Zitat

    von alfriedro
    Die Zucht gibt die Möglichkeit, auf Importe und Naturentnahmen zu verzichten. (...)


    Alex - diese wenigen Worte sagen mir viel (von Deinem Unwissen über Großpapageien - sorry)! Ist Dir klar, daß zur "Blutauffrischung" immer wieder Importvögel herhalten müssen?


    Gruß
    Heidrun

    Ist eine Sache einmal verdorben, so nutzt es nichts mehr, im Nachhinein mit "Liebe" und "Pflicht" herumzufuchteln. (lieh-tzu)
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  • Früher Vogel fängt den Wurm. :D


    Zu so später Stunde kurz und knapp:



    Das mag durchaus zutreffen, daß es ALLE Tierarten betrifft. ABER (ich erwähnte es bereits schon einmal) wir befinden uns hier in einem Forum für Papageienfreunde und/oder -interessierte.



    Das ist schon richtig. Wenn wir uns schon um eine Tiergruppe den Kopf zerbrechen, dann sollten wir es gleich global ausweiten. Denn die Problematik ist eben global. Wir können diese Problematik nicht lösen, wenn wir sie nicht ganz allgemein angehen. Es geht mir in diesem Zusammenhang um das Naturverständnis dieser Gesellschaft insgesamt. Es beschränkt sich nicht auf die Großpapageien.




    Und? Was soll uns Deine Aussage vermitteln? Was ist für das betreffende Lebewesen erträglicher? Alex, sprichst Du hier im Sinne des Tieres oder im Sinne des Menschen?


    Jawohl, es geht mir um Beides, weil Mensch und Natur de fakto Eins sind. Wenn wir die Menschen bekämpfen, bekämpfen wir uns selber. Wenn wir die Natur berauben, berauben wir uns selber. Wie ich bereits mehrmals in diesem Forum versucht habe zu erklären, brauchen wir das Tier und das Tier braucht uns in einer Welt, die sich radikal umgestaltet. Natürlich sind wir Menschen dafür verantwortlich, es gibt aber auch noch Ebenen darüber, von denen die "normalen" Menschen keine Ahnung (mehr) haben. Davon wird die Menschheit getrieben. Das Leid, welches die einzelnen Papageien durchleben müssen, beschränkt sich nicht auf sie, es betrifft auch die Menschen selber. Die Problematik können wir nicht mit dem Verbot lösen, sondern nur mit einem Bewusstseinswandel. Ich fürchte sogar, dass durch Verbote, die Tendenz zur Naturentfremdung noch verschärft wird.




    Wer will denn die "Tierhaltung" verbieten? Hier geht es gezielt um ein Verbot der Gefangenschaftshaltung von "Wildtieren" (Papageien), das von Menschen angestrebt und erhofft wird, die diesbezüglich langjährige Erfahrungen sammeln konnten - die genau wissen, wovon sie reden.


    In Ordnung, aber jedes Tier war einmal Wildtier. Seelisch wird es das auch immer bleiben. Die Tiere sind ursprünglich nicht als Anhängsel der Menschheit und deren Kultur entstanden, sondern durch eigenständige, freie Entwicklung. Ein Bewusstseinswandel, wie er mir vorschwebt, würde das Tier an sich wieder in die Freiheit entlassen (ich meine jetzt nicht den einzelnen Papagei, sondern die "Tierheit"). Das wäre dann das Paradies.





    Ja, dieser Versuch wurde schon vor Jahrzehnten gestartet und wenn sich nicht endlich für die betreffenden Tiere etwas sinnvolles ergibt, dann ist dieser abgedroschene Satz noch in 100 und mehr Jahren zu lesen.
    [/font]


    Du hast Recht und auch wieder nicht. Seit Jahrzehnten wird für das Recht der Tiere gekämpft und für die richtige Behandlung geworben. Es hat sich längst nicht alles an Problemen gelöst, es sind vielleicht sogar neue hinzugekommen, aber die Tierhaltung insgesamt hat sich zumindest teilweise gebessert. Wie gesagt, die Vermehrung von Großpapageien war bis vor noch kurzer Zeit nicht möglich. Über die Motive brauchen wir hier nicht streiten. Diese halte ich ebenfalls für überwiegend verwerflich.




    [font='Verdana, Helvetica, sans-serif']Alex - diese wenigen Worte sagen mir viel (von Deinem Unwissen über Großpapageien - sorry)! Ist Dir klar, daß zur "Blutauffrischung" immer wieder Importvögel herhalten müssen?


    Liebe Heidrun, ich weiß sehr wohl, wovon ich schreibe/spreche. Da ich global argumentiere, mag sich die Sachlage bei Großpapageien etwas differenzierter gestalten. Ich sagte ja auch "... gibt die Möglichkeit ... " das trifft auch voll auf die Großpapageien zu. Dass es anders ist, liegt an den Motiven, der Papageienhaltung und Zucht und vor allem an den Methoden. Natürlich ist der Aufwand, z.B. Molukkenkakadus zu halten und zu vermehren ein ganz anderer, als der von Zebrafinken. Welcher notwendig wäre, ist noch gar nicht richtig erkannt. Das äußerst intelligente Tier lebt sein Vitalpotenzial auch in Gewalt aus. Vieles von seinem Verhalten erinnert an Menschliches. Dieses zu erforschen wäre auch eine Chance, etwas mehr über uns selbst zu erfahren. Der indirekte Weg der Selbsterkenntnis. Die Blutauffrischung durch Naturentnahme ist nicht zwingend erforderlich, wenn man die Vermehrung systematisch vernetzt und die Haltungsmethoden an den Tieren ausrichtet.


    Der Umgang mit komplizierten Tieren ist eine Aufgabe mit Herausforderung. Daran kann die Menschheit geistig wachsen. Dem stehen aber, wie ich auch schon sagte, einige Übel im Wege: Materialismus, Kommerz und falsche Klischees. Diese sind ganz global zu bekämpfen.


    Grüße, Alex

  • Vieles von seinem Verhalten erinnert an Menschliches. Dieses zu erforschen wäre auch eine Chance, etwas mehr über uns selbst zu erfahren. Der indirekte Weg der Selbsterkenntnis. Die Blutauffrischung durch Naturentnahme ist nicht zwingend erforderlich, wenn man die Vermehrung systematisch vernetzt und die Haltungsmethoden an den Tieren ausrichtet.


    Der Umgang mit komplizierten Tieren ist eine Aufgabe mit Herausforderung. Daran kann die Menschheit geistig wachsen. Dem stehen aber, wie ich auch schon sagte, einige Übel im Wege: Materialismus, Kommerz und falsche Klischees. Diese sind ganz global zu bekämpfen.


    Hallo Alex,


    ich halte ein (Wild)Tier, um eventuell mehr über mich selbst zu erfahren? Findest du nicht, dass das Ganze jetzt langsam vom wissenschaftlichen (Heidruns Ausführungen) ins spirituelle driftet?
    Über mich selbst kann ich nur etwas erfahren, wenn ich mich mit mir selbst auseinander setze und nicht, wenn ich einen Kakadu als Spiegel betrachte. Davon ab finde ich alleine den Gedanken ein Lebewesen "zu benutzen" nur um über mich selbst mehr zu erfahren schon absurd.
    Und in der Realität sieht es doch eher so aus, dass man versucht dem Tier sein "Ich/Wesen" aufzudrängen und nicht umgekehrt.
    Dein zweiter Satz bezüglich des Umgangs mit komplizierten Tieren:
    Soll ich mir jetzt ein möglichst kompliziertes Tier anschaffen, um geistig zu wachsen??? Kennst du irgendwelche Fälle, wo das geklappt hat? Woran jeder arbeiten könnte und sollte (und auch das geht OHNE Haltung eines "komplizierten" Tieres) ist die Weitsicht und die Blickrichtungsänderung/ bzw. das Hineinversetzen in andere Lebewesen.


    Viele Grüße
    Christa


  • Hallo Christa,


    die Welt ist viel komplexer, als wir es in der Regel wahrnehmen. Vieles, was absurd klingt, ist unter diesem und jenem Blickwinkel auf einmal gar nicht mehr so abwegig. Menschen tun dies und das für ihre eigene "Belustigung" oder Bedarf. Jede Tat hat Folgen, die das Ganze betreffen und reflexiv zurückwirken. Erstaunlicher weise sind bereits Gedanken und Gefühle Taten, die Du aktiv in Deinem Innern hervorrufst. Deren Wirkungsweise sind zunächst auf Dein Inneres beschränkt, wirken sich aber auch mit nachfolgenden äußeren Taten auf die Umwelt aus: Der alfriedro redet Blech. Das regt Dich auf. Du schreibst Deine Gedanken dazu nieder. Zack, weiß es das ganze Forum, jeder denkt sich seinen Teil, empfindet etwas dabei und teilt es irgendwem mit ...


    Es ist keine Empfehlung, besonders komplizierte Tiere zu halten, um irgendetwas zu erreichen. Aber wenn man es tut, so hat das seine Folgen für den, der es tut und für die, die über die Resultate informiert werden, für die weitere Vorgehensweise und natürlich für die betroffenen Tiere. Summa summarum entsteht ein "Bild", welches dem Menschen zur Erkenntnis dient; Erkenntnis über die Zusammenhänge und folglich, wenn vielleicht auch nur unbewusst, über sich selbst. Man kann sich nicht über sich selbst auseinander setzen ohne das Andere mit einzubeziehen, denn alles an Dir oder an mir ist ein Resultat aus der Summe der Geschehnisse in der Welt. So ist es gar nicht absonderlich, wenn auch ein (Wild-) Tier dazu beiträgt.


    Wenn ich ein Tier "benutze", so hat das bestimmte Gründe, die man mal völlig wertfrei einfach so annehmen kann. Was treibt einen Menschen denn dazu, Tiere zu halten in dieser oder jener weise? Will er einfach nur schlecht oder gut sein? Ist der Mensch gut oder schlecht, weil er sich mit diesem oder einem anderen Tier befasst? Ist der Egoismus grundschlecht? Nein, die Sachlage ist doch wesentlich komplexer und komplizierter als das Sozialverhalten von Amazonen. Ich könnte Bücher schreiben. Ansatzweise habe ich das ja schon in diesem Forum. Man drängt dem Tier sein Ich-Wesen auf, indem man sich mit ihm identifiziert. Das heißt für mich, das Tier wird zu einem Teil von mir, ganz psychologisch betrachtet. Grenze ich mich von ihm ab, so wird es abgestoßen, ich befasse mich nicht mit ihm oder bekämpfe es. Nehme ich es gar nicht wahr, so wird es einfach übergangen, so wie die Silberfischchen in Deinem Badezimmer oder die Hausstaubmilbe in Deinem Bett. Sie machen sich mal bemerkbar, aber sie sind nicht Teil von uns (seelisch gesehen, im Weltenzusammenhang schon). Das Tier in meinem Haus, welches sich in meiner Fürsorge befindet, hat etwas mit mir zu tun. Es ist so, wie ich mir etwas an ihm oder von ihm wünsche. Natürlich ist da für einen Unbefangenen auch eine Menge Illusion. Der Papagei ist nicht das, was man so in ihn hinein dichtet, deswegen entstehen ja auch diese Enttäuschungen, die diese Abstoßung zur Folge haben. Die Erkenntnis des wirklichen Papageis wirkt dagegen so, wie ich gesagt habe. Der Papagei leidet unter dieser Illusion eminent und weil er ein sehr hohes Bewusstsein hat, richtet er seine Taten der Verzweiflung mitunter gegen sich selbst. Er kann aber ganz gut damit leben, wenn sich ein Mensch mit Herz und Verstand mit ihm befasst. Man reiche mir einen Strick, damit ich mich gleich selbst am nächsten Baum aufknüpfe für diese Ketzerei!


    Im übrigen kann man Spirituelles ebenso wissenschaftlich betreiben und auch beweisen, wie es Heidrun mit den Zitaten tut, die wiederum andere wissenschaftlich begründen. Es ist für uns allerdings so fremd, wie ein Flugzeug für Menschen im Urwald von Papua-Neuguinea, spirituell zu denken. Unser Problem heute ist der Materialismus, in dem alles nur dann existent ist, wenn man es mit (den bislang möglichen) Methoden messen oder sichtbar machen kann. Andererseits werden die wildesten Spekulationen als bare Tatsachen gehandelt. Diese Denke ist bei Gott primitiv. Ferner ist unsere geradezu zwanghafte Vorstellung ein Problem, dass alles in der Welt irgendeinen Nützlichkeitsaspekt besitzen muss, wenn es Sinn machen soll. Nichts ist um seiner selbst willen existent. Und genau das ist die Wirklichkeit. Die physische Welt zwingt die Prozesse (auch Lebewesen sind Prozesse) erst in eine Nützlichkeit.


    Kleines Beispiel: Einer Brennnessel ist es völlig wurscht, ob sie brennt. Sie verdeidigt sich nicht damit. Es ist nur einfach so, dass sich ihre Haare zu Quarzröhren ausgebildet haben und mit Ameisensäure gefüllt sind. Die Nessel hat weder Vor- noch Nachteile davon. Sie wird gefressen, bekrabbelt oder platt getrampelt. Die Nessel hat eine Affinität für bestimmte Böden und Klima, und sie gedeiht mit einer großen Spanne des Lichtangebots bei jeweils unterschiedlicher Reaktion darauf. Sie hat verschiedene Fähigkeiten und sondert Stoffe in bestimmter weise ab, z.B. als Quarz und Ameisensäure, die bei ihren Stoffwechselprozessen entstehen bzw. übrig bleiben. Die Brennnessel verändert lehmigen Boden so, dass er krümelig und humusreich wird. Das würde eine Waldschmiele (Gras) als nützlich erachten. Die Brennnessel bindet viel Stickstoff zu eiweißähnlichen Stoffen, was Blattläuse oder Schmetterlingsraupen ungemein nützlich finden. Die Brennnessel stellt ihre Blätter an einem vierkantigen Stängel kreuzweise gegenständig, nicht weil sie damit mehr Licht auf jedes Blatt erhält, dann würde es der Waldmeister auch tun, sondern, weil es einfach so ist. Jedes Nodium bringt eben nur zwei Blätter hervor. Die kreuzweise Anordnung ist eine von vielen möglichen Antworten auf Kräfte, die außerhalb der Erde bestehen und auf sie herab wirken. Der kantige Stängel ist auch nicht besser oder schlechter als ein kreisrunder, gerippter Stängel eines Schierlings, der sich wiederum nicht mit seinem Gift "verteidigt". Dessen Gift ist einfach beim Stoffwechsel übrig geblieben und hat sich in dieser weise angereichert. Die grüne Blattfarbe ist das Resultat einer Verbindung zweier Organismen zu einer Symbiose, welche bereits in Urzeiten begangen wurde. Chloroplasten sind, wie auch Mitochondrien, eigenständige Lebensformen, die sich allein über die Mutterlinie auf die Nachkommen übertragen lassen. Ihre Existenz ist Selbstzweck, ihre Verbindung nützlich. Die Brennnessel würde von sich behaupten, so wie wir Menschen es sowieso tun, dass sie nur um ihrer selbst willen so ist, wie sie ist. Ihr Sosein ist Ausdruck einer "Befindlichkeit" eines bestimmten Ortes. Dieses Beispiel lässt sich ohne Weiteres auch auf Papageien übertragen. Zudem ist es rein spirituell wissenschaftlich bewiesen unter Berücksichtigung der offensichtlichen Tatsachen.


    Weil nun die Menschen so unterschiedlich sind, lässt sich in der Natur auf alles am Menschen auch ein "Spiegel" in der Natur finden. Wenn also ein Molukkenkakadu so oder so ist, so findet sich diese Eigenheit auch bei diesem oder jenem Menschen wieder. Du wirst, spaßig ausgedrückt, Regenwurmmenschen, Rattenmenschen und Schmetterlingsmenschen finden, wenn Du Dich für solche Betrachtungen bereit findest. Für Kinder ist das übrigens völlig normal, die Menschen so zu sehen.


    Grüße, Alex

  • Ich lese und lese und kann gar nicht mehr damit aufhören............


    Nicht nur ein sehr interessantes Thema ansich, sondern auch die vielen verschiedenen Meinungen und Ansichten geben enorme Anregungen zum Nachdenken/Umdenken...........Die Beiträge zu diesem Thema sind informativer, als jedes Buch, dass ich bisher über Papageienhaltung gelesen habe.
    Hier ist geballtes Wissen/Information auf den Punkt gebracht.


    Dieses Thema mit seinen gesamten Ausführungen sollte für jeden (Neu-)Papageienhalter zur Pflichtlektüre werden.....dann würde es vielen Vögeln
    vielleicht ein wenig besser gehen......(und den Haltern wahrscheinlich auch)....tolles Forum.....Glückwunsch!!!



    ....und vor allem: macht weiter so........ (und gerade auch zu diesem Thema)



    Grüße von shalom


    PS: ich denke, dass es vielen Mitlesern hier genau so geht wie mir: sie mögen zwar nicht schreiben, darum ist aber das Thema und die Meinungen nicht weniger interessant und lesenswert

  • Im übrigen kann man Spirituelles ebenso wissenschaftlich betreiben und auch beweisen, wie es Heidrun mit den Zitaten tut, die wiederum andere wissenschaftlich begründen. Es ist für uns allerdings so fremd, wie ein Flugzeug für Menschen im Urwald von Papua-Neuguinea, spirituell zu denken.


    Unser Problem heute ist der Materialismus, in dem alles nur dann existent ist, wenn man es mit (den bislang möglichen) Methoden messen oder sichtbar machen kann. Andererseits werden die wildesten Spekulationen als bare Tatsachen gehandelt.


    Weil nun die Menschen so unterschiedlich sind, lässt sich in der Natur auf alles am Menschen auch ein "Spiegel" in der Natur finden. Wenn also ein Molukkenkakadu so oder so ist, so findet sich diese Eigenheit auch bei diesem oder jenem Menschen wieder. Du wirst, spaßig ausgedrückt, Regenwurmmenschen, Rattenmenschen und Schmetterlingsmenschen finden, wenn Du Dich für solche Betrachtungen bereit findest. Für Kinder ist das übrigens völlig normal, die Menschen so zu sehen.



    Hallo Alex,


    zunächst muss ich dir sagen, dass ich mit Spiritualität oder Glauben nichts zu tun habe. Für mich ist alles ein natürlicher Zyklus, ein sehr ausgeklügeltes System das lediglich darauf programmiert ist zu überleben/sich anzupassen/sich durchzusetzen.
    Natürlich kann ich zu jemandem sagen: Du bist so konservativ und ängstlich wie ein Graupapagei. Aber hilft ihm das sich dessen bewusst zu werden, wenn er ihn hält? Und selbst wenn! Ist der Graupapagei auf der Welt, um Herrn Müller zu zeigen: Hey...ich habe auch Angst vor neuen Dingen?
    Wir können jetzt (was eigentlich nicht in ein Papageienforum gehört) mutmaßen, was WIR denn an Beitrag zur Natur dazu geben? Wie wir den natürlichen Kreislauf aufrecht erhalten?
    Es ist, wie Jens schon mal schrieb, reiner Egoismus, wenn wir z.B.! Papageien halten. Wir stabilisieren damit nicht das natürliche System, sondern rotten es nachweislich aus (vieles in Bezug auf Papageienhaltung ist mir erst durch Heidruns Postings bewusst geworden, wo ich mir vorher gar keine Gedanken darüber gemacht habe.).
    Meist steht bei der Anschaffung/Haltung eines z.B. Papageis eben nicht das Interesse an dem Tier an sich im Vordergrund, sondern der Wunsch nach Haltung eines möglichst exotischen(womöglich noch teuren?) Tieres, das einem gehört und am Besten sogar noch sprechen kann, was es noch MENSCHLICHER macht.


    Wenn wir den natürlichen Kreislauf betrachten: Welchen Sinn für die Natur (deren Teil wir sind, und wären
    somit normalerweise auch in der Verpflichtung einen Beitrag zu leisten) hat es, dass wir (Wild)Tiere in Gefangenschaft halten?


    Ich möchte nicht im Glashaus sitzen und mit Steinen schmeißen, denn auch ich habe nicht richtig gehandelt.
    Aber ich habe es erkannt und werde das System/den Fehler auf keinen Fall mehr in irgendeiner Form unterstützen/erneut machen. (Nachzucht, Kauf, etc.)
    Auch gebe ich offen und ehrlich zu (was anscheinend auch ein Tabuthema in der Papageienhaltung zu sein scheint), dass ich eine Henne habe, die sich die Federn bis zu Flugunfähigkeit zerfressen hat. Die Aspergillose und immense Stress-Streifen im Gefieder aufweist.
    Ich habe einen Hahn, der morgens uns abends, wenn er in die Voliere muss, auf einem Sitzbrett oder Seil sitzt und mit der rechten Kralle scharrt, weil er raus möchte.
    Oder beide, wenn sie auf einem Freisitz sitzen und minutenlang mit den Flügeln schlagen. Ich denke, dass es ihnen wesentlich besser gefallen würde, wenn sie keine "Trockenübungen" machen müssten.


    Ich würde mich sehr freuen, wenn man offen und ehrlich darüber reden könnte (möglichst emotionslos), was wir bei der Papageienhaltung wirklich beobachten, wieviel Aufwand ist es wirklich, bei welcher genauen Fütterung, was können wir im Verhalten der Papageien beobachten?


    Viele Grüße
    Christa