Papageienhaltung - Teil 1

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    .... Mythos und Realität....


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    Bilder und Berichte, die zu einer "Vermenschlichung" dieser faszinierenden Mitgeschöpfe beitragen und Papageienvögel auf ein "Heim- und Schmusetierniveau" reduzieren, welches den Ansprüchen an eine halbwegs artgemäße Haltung entgegensteht, werden Sie auf unseren Seiten vergeblich suchen.


    Sie werden auf unseren Seiten u. a. Berichte und Bilder finden, die zu einem besseren Verständnis des natürlichen Verhaltens und zu einer Verbesserung der Bedingungen der Gefangenschaftshaltung beitragen sollen.


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    Papageienhaltung im 21. Jahrhundert
    Eine kleine Zusammenstellung
    Teil 1



    Foto: Heidrun Schrooten


    In aller Regel erwarten (potenzielle) Papageienhalter von einem Vogel eine absolute Anpassungsfähigkeit an das Familienleben, Sprachbegabung und eine gute Zähmbarkeit. Doch nur in Ermangelung eines artgleichen Partners schließt sich der Papagei zur Befriedigung seiner arteigenen Bedürfnisse ersatzweise dem Menschen an. Aus diesem Grund ist die von Privathaltern immer noch ganz vorwiegend praktizierte Form die Haltung eines einzelnen Vogels. Der Bundesverband praktischer Tierärzte teilt mit: "Mehr als neun Millionen Ziervögel werden in Deutschland als Heimtiere gehalten - leider oft fernab ihrer biologischen Bedürfnisse. (...) nach wie vor werden Stubenvögel überwiegend einzeln gehalten und müssen auf einen artentsprechenden Sozialpartner verzichten." Papageien aber zählen zu den sozialen Tieren, die in ihrem natürlichen Lebensraum in Gruppenverbänden leben. Innerhalb dieser sozialen Zusammenschlüsse bilden sich Paare, die sich nur während der Brutzeit gemeinsam von ihrem Verband absondern.




    Foto: Heidrun Schrooten



    Die paarweise Haltung oder die Haltung in Gruppen stellt immer noch die Ausnahme dar und bleibt weitestgehend zoologischen Facheinrichtungen oder Einrichtungen im Rahmen von Arterhaltungs- und Zuchtprogrammen vorbehalten. Würbel schreibt: "Die artspezifischen Anpassungen an bestimmte Formen sozialer Vergesellschaftung führen zu spezifischen Anforderungen an eine tiergerechte Haltung. Werden diese nicht erfüllt, kann dies zu schweren Belastungen und erheblichen Verhaltensstörungen führen." Negativ ist, daß die Mensch-Tier-Beziehung bei Einzelhaltung oft so ausgeweitet wird, daß aus Papageiensicht kein Unterschied mehr zwischen Artgenossen und Mensch besteht. Dies ist vielfach zu beobachten und es kommt gehäuft dazu, daß der Vogel versucht, territoriale und sonstige Dominanzen gegenüber dem Halter zu zeigen. Einzelhaltung und Fixierung auf den Halter sind unbestritten vielfach die Ursache für Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Verhaltensstörungen bei Papageien, die sich in Federrupfen, Aggressionen und Dauerschreien äußern können. Eine Studie an einem Kollektiv in unterschiedlichen Sozialstrukturen und Systemen gehaltener Venezuelaamazonen (64 Exemplare) bestätigte ursächliche Zusammenhänge zwischen der Sozialstruktur und Haltungsumgebung und dem Entstehen von Verhaltensauffälligkeiten, wie z. B. auch dem Federrupfen (Garner et al., 2006).




    Foto: Ursula Fuhrmann.Foto: Heidrun Schrooten



    Einzeln gehaltene Papageien sind praktisch dazu gezwungen, ihr Verhalten am und mit dem menschlichen Ersatzpartner auszuleben. Dies ist nur unzulänglich möglich, denn nicht nur im Körperbau hat der Mensch wenig Ähnlichkeit mit Papageien, er ist auch, was das Eingehen auf papageiische Aktions- und Reaktionsmuster betrifft, nur begrenzt zu artangepaßten Interaktionen fähig. Die aggressiven Verhaltensanteile stellen oft ein fast unlösbares Problem für die Halter dar und führen nicht selten dazu, daß vormals in das Wohnumfeld integrierte Papageien ihr weiteres Dasein als Käfigvögel fristen müssen oder zu sogenannten "Wandervögeln" werden.




    Foto: Christian Hesse



    Die wenigsten Halter bzw. Interessenten an der Papageienhaltung verfügen über ein hinreichendes Wissen bezüglich des Normverhaltens und der biologischen Bedürfnisse der jeweils gehaltenen oder gewünschten Art/en. Die meisten Halter bzw. Interessenten werden von einem durch nicht fachspezifische Artikel/Berichte in den (Boulevard-)Medien vermittelten - völlig undifferenzierten und "schönzeichnenden" - Bild der Exotenhaltung weit mehr angesprochen, als dies durch seriöse - an Biologie und Ethologie orientierter - Information der Fall (und möglich) ist.


    Ein Wissen über die Freilandsituation der jeweils gewünschten bzw. gehaltenen Art/en ist bei über 90 % der Interessenten oder Halter nur marginal oder überhaupt nicht verfügbar und es besteht auch kein gesteigertes Interesse am Erhalt derartiger Informationen.




    Foto: http://www.lorobolivia.com



    Ich kann diese Einschätzung auf eigene Erfahrungen (nicht nur) während meiner Tätigkeit für das Institut für Papageienforschung e.V. (IPF) sowie auf eine im Rahmen einer Studie von Rachel Schmid durchgeführte umfängliche Halterbefragung, auf von Andrea Juppien (ebenfalls im Rahmen einer Studie) erhobene Daten und weitere thematische Analysen stützen. So konnten - um nur ein Beispiel zu nennen - lediglich 18 % der befragten Halter die Frage danach, wann die von ihnen gehaltenen Papageien die Geschlechtsreife erreichen, halbwegs zutreffend beantworten. Die im "multiple-choice-Verfahren" (Ja. Nein. Weiß nicht.) gestellte Frage danach, ob mit der Geschlechtsreife Verhaltensänderungen einhergehen, wurde von 63 % der befragten Halter mit "Weiß nicht" beantwortet. Wenn überhaupt spezifische(re) Literatur genutzt wird/wurde, so handelt/e es sich ganz überwiegend um niedrigpreisige und inhaltlich eher dürftige Ratgeber.


    Norbert Kummerfeld: "Für diese Gruppe besonderer Haustiere hat die erhoffte "freiwillige Selbstfortbildung" der Tierhalter überwiegend versagt. (...) Die tatsächliche Situation der Haltung von Papageien und Sittichen und die im Tierschutzgesetz formulierten Anforderungen für die Vögel und an deren Besitzer liegen immmer noch weit auseinander. (...) Unwissenheit (und Uneinsichtigkeit) auf der Seite der (...) Vogelliebhaber und merkantile Strategien mancher kommerzieller Papageienhalter lassen bisher eine tierschutzgerechte Haltung der Papageien und Sittiche in vielen Fällen scheitern."


    Bei den meisten Haltern und/oder Interessenten an der Papageienhaltung steht nach wie vor der Wunsch nach einem zahmen, zutraulichen und möglichst sprechenden "Hausgenossen" im Vordergrund. Insbesondere (jedoch nicht nur) der kommerzielle Handel suggeriert seit geraumer Zeit werbewirksam und mit Erfolg, daß speziell handaufgezogene Papageien die o. g. Attribute am besten gewährleisten. Die hinreichend bekannten und publizierten potenziellen Probleme einer derartigen Aufzuchtform werden weitestgehend ignoriert bzw. gänzlich ausgeblendet.




    Foto: Heidrun Schrooten ......... Foto: Verena Piroth



    Schmid et al.: "The table also shows that the parent-bred grey parrots were in the best state of health. (...) The parent-reared birds were generally in very good health. (...) Hand-reared parrots tend to become more problematic for their owners than parent-bred birds."


    ("So zeigte die Übersichtstabelle, daß Graupapageien aus Elternbrut über den besten Gesundheitszustand verfügen. (...) Die Vögel aus Elternaufzucht waren generell in sehr guter gesundheitlicher Verfassung. (...) Handaufgezogene Papageien neigen dazu, den Haltern mehr Probleme zu verursachen, als dies bei elternaufgezogenen Papageien der Fall ist.")








    Literatur
    BPT (2005): Wenn Einsamkeit krank macht - von Stubenvögeln und ihren Bedürfnissen, Pressetexte Tierärztlicher Rat


    Garner, J. P., C. L. Meehan, T. R. Famula & J. A. Mench (2006): Genetic, Environmental and Neighbor Effects on the Severity of Stereotypies und Feather Picking in Orange-winged Amazon Parrots (Amazona amazonica) An Epidemiological Study, Animal Behaviour Science, Jan. 2006


    Juppien, A. (1998): Statistische Erhebungen zum Auftreten von Verhaltensstörungen bei Großpapageien in Menschenobhut (Teil 1), in: Parrot Biology, Vol. 2, Jun. 1998, Arndt Verlag, Bretten, S. 55 - 101


    Kummerfeld, N. (2008): Die Haltung von Papageienvögeln - Anforderungen und Wirklichkeit, Klinik f. Heimtiere, Reptilien, Zier- u. Wildvögel der Stiftung Tierärztliche Hochschule, Hannover


    Schmid, R., M. G. Doherr & A. Steiger (2005): The influence of the breeding method on the behaviour of adult African grey parrots (Psittacus erithacus), Applied Animal Behaviour Science, Elsevier / orig.: Institute of Animal Genetics, Nutrition and Housing, Division of Animal Housing and Welfare, Vetsuisse Faculty of University of Berne, Bern


    Würbel, H. (2005): Script Tierschutz I, Universität Gießen




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