Ruhen und Schlafen

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    Bilder und Berichte, die zu einer „Vermenschlichung“ dieser faszinierenden Mitgeschöpfe beitragen und Papageienvögel auf ein „Heim- und Schmusetierniveau“ reduzieren, welches den Ansprüchen an eine halbwegs artgemäße Haltung entgegensteht, werden Sie auf unseren Seiten vergeblich suchen.


    Sie werden auf unseren Seiten u. a. Berichte und Bilder finden, die zu einem besseren Verständnis des natürlichen Verhaltens und zu einer Verbesserung der Bedingungen der Gefangenschaftshaltung beitragen sollen.

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    Ruhen und Schlafen



    Foto: Heidrun Schrooten


    Papageien stammen aus äquatornahen Gebieten, in denen die Tageslängen/Nachtlängen über das Jahr hinweg fast gleich sind. Aus diesem Grund sollte unter Haltungsbedingungen für einen 12-Stunden-Rhythmus (12 Licht- und 12 Dunkelstunden) gesorgt werden.


    Die Zirbeldrüse produziert im 24-Stunden-Takt Melatonin. Melatonin wirkt auf bestimmte Hirnregionen und es beeinflußt den Tag-Nacht-Rhythmus. Häufige Wechsel der Tageslängen oder künstliche Verlängerungen oder Verkürzungen der Lichtzeiten bringen das "Melatonin-Profil" durcheinander. Melatonin steht in Wechselwirkung mit weiteren Hormonen - zum Beispiel dem Noradrenalin.


    Weil die jahres- und tageszeitlichen Schwankungen äquatornah nur gering sind, ist unter Haltungsbedingungen für annähernd zwölf Licht- und zwölf Dunkelstunden zu sorgen. Ausreichende Schlaf- und Erholungszeiten sind für Mensch und Tier gleichermaßen wichtig. Ständige erhebliche Überschreitungen der für Papageien notwendigen Schlafphasen schädigen die Psyche und die Physis. Selbst reines "Nichtstun" im Wachzustand verbraucht 15 % bis 20 % mehr Energie als Schlaf.



    Foto: Heidrun Schrooten


    Aus der Befürchtung, Papageien könnten bei Nacht durch Störungen auffliegen und sich dabei wegen der Dunkelheit verletzen, installieren manche Halter schwächere Beleuchtungen in den Haltungsräumen. Reaktionen auf einen künstlichen Lichtimpuls oder eine längere Beleuchtung während der Nacht zeigen Auswirkungen auf den Melatoninhaushalt. Die Synthese von Melatonin wird vermindert. Arbeiten zu vielen Tierarten geben Hinweise darauf, daß dafür schon geringere Lichtstärken ausreichen. Bei den meisten Nagern unterdrückt eine Lichtintensität von 1 Lux die Melatoninsynthese nachhaltig. Berücksichtigt man, daß bei Nagern und Vögeln die Melatoninsynthese durch Außenlicht direkt beeinflußt wird, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß auch bei Papageienvögeln geringere Lichtstärken während der Nacht ausreichen, um den Melatoninspiegel zu beeinflussen. In der Einheit "Lux" wird die Beleuchtungsstärke gemessen. Sie gibt an, wieviel Licht auf eine Fläche fällt. Sonnenschein im Sommer erzeugt bis zu 100.000 Lux, Mondschein nur noch etwa 0,3 Lux.


    Warum die Dunkelheit so wichtig ist: Auch Vögel verfügen über das Hormon "Melatonin" - auch "Schlafhormon" oder "Hormon der Dunkelheit" genannt. Melatonin wird überwiegend während der Dunkelheit produziert. Arbeiten belegen, daß selbst kleinste künstliche Beleuchtungen die Produktion des Melatonin negativ beeinflussen. Grund dafür ist, daß Vögel und Nager selbst bei geschlossenen Augen Licht durch die Schädeldecke wahrnehmen.


    Erhöhte Melatoninzufuhr stimmt den Körper auf die Schlafenszeit ein. Wenn das Papageienhirn wegen dauernd über das der 12-Stunden-Formel hinausgehende Hell-Zeit-Muster erweiterte Hellzeiten abspeichert, verringert sich nach und nach die Melatoninausschüttung. Dem Tier wird Wach-Zeit signalisiert. Änderungen des Melatoninprofils erfolgen nicht unmittelbar, sondern mit einer gewissen Trägheit.


    Ein Melatoninmangel hat nachweislich einen schädigenden Einfluß auf das Immunsystem. Arbeiten an männlichen Halsbandsittichen zeigten einen ungünstigen Einfluß auf den Blutzuckergehalt und auf den Adrenalinstoffwechsel.



    Foto: Heidrun Schrooten


    Ruhen und Schlafen dient der Regeneration und ist im Freileben dem Tagesverlauf angepaßt. Es folgt den wiederkehrenden periodischen Prozessen und Rhythmen, die im Organismus selbst verankert sind. Wie wesentlich für das Wohlbefinden von in menschlicher Obhut gehaltenen Papageien die Konstanz der an ihrem natürlichen Tagesverlauf ausgerichteten und zeitlich abgestimmten Lichtverhältnisse ist, belegen ausführliche Studien von Aschoff und Weaver. Die Forscher analysierten umfassend die Wirkung äußerer Einflüsse auf das innere System von Vögeln. Konstanter Beleuchtung ausgesetzte Versuchsvögel reagierten mit erheblichen Störungen und Verschiebungen der Schlaf-Wach-Zeiten. Bei tagaktiven Vögeln verliefen die Verschiebungen genau umgekehrt zu denjenigen nachtaktiver Vögel.


    Papageien orientieren ihr Verhalten in natürlicher Umgebung an den Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangszeiten. Levinson dokumentierte die Abhängigkeit der Aktivitäten freilebender Weißstirnamazonen (Amazona albifrons) von der Tagesperiodik. Ebenso liegt dazu eine Freilandarbeit für Blaustirnamazonen (Amazona aestiva) vor. Welchen Einfluß die Belichtungsverhältnisse auf die Verhaltensweisen von Papageien nehmen, ist den Beobachtungen von Weinhold an in Freivolieren gehaltenen Blaustirnamazonen und ihren Folgerungen zu entnehmen: "Auffällig war, dass sie bei plötzlicher Verdunklung des Himmels aufgeregt reagierten und ein starker Anstieg der lokomotorischen Akivität erfolgte. Vor allem für die in Äquatornähe heimischen Populationen bzw. Arten sind die Dämmerungszeiten relativ kurz, so dass ein Aufbruch von den Nahrungsgebieten zu den gewohnten Übernachtungsplätzen rechtzeitig erfolgen muss."


    Schmid unterzog im Rahmen einer Doktorarbeit das Verhalten von 105 Graupapageien in privater Haltung einer umfangreichen Analyse. Der Einfluß unangepasster Belichtungszeiten auf das Verhalten war gravierend. So zeigten Graupapageien, die entweder zu kurzen Lichtzeiten (9 bis 11 Stunden) oder zu langen Lichtzeiten (>15 Stunden) ausgesetzt waren ein deutlich aggressiveres Verhalten als Graupapageien, die im Mittel bei zwölf Stunden Lichtzeit gehalten wurden. Eine weitere Auswirkung bestand in übersteigerter oder vernachlässigter Eigengefiederpflege. Jenkins sieht eine mehrerer Ursachen des Federrupfens in aus unangepassten Beleuchtungszeiten resultierendem Melatoninmangel.



    Foto: Liane Theuerkauf



    Foto: Clarissa Gräber


    Ein Auszug aus einer Dissertation von Steigerwald: "Darüber hinaus werden die in den Haltungsempfehlungen angegebenen maximalen Lichtlängen von 12 Stunden pro Tag vom Vogelhalter nicht eingehalten. Bei Nachfrage auf die gewährleistete Lichtlänge am Tag entfallen knapp 50 % auf über 14 Stunden Licht, wobei sich die Kunstlichtlänge am Abend auf ca. 2 bis 3 Stunden erstreckt und im Winter mit früherem Eintritt der Dämmerung noch höher liegt (> 5 Stunden). Über 50 % halten ihre Vögel unter Glühlampenbeleuchtung, gefolgt von einem 10 %igen Anteil an Leuchtstofflampenbeleuchtung. Die Hobbyhaltung bestimmter Papageienarten und anderer Exoten findet vorwiegend in Räumen statt, die vom Mensch genutzt werdem (Wohn- und Esszimmer, Küche).


    (...)


    Die Probleme, die sich im Zusammenhang mit dem fehlenden UV-Spektrum, dem Flackerlicht aus den Leuchtstofflampen und dem Fernseher, sowie der langen Lichtdauer ergeben, könnten sich als Verhaltensänderungen wie Federzupfen, erhöhte Aggressivität oder sexuelle Frustration, vermehrte Müdigkeit, Unruhe und Legenot äußern."



    Fotos: Heidrun Schrooten






    Literatur
    Aschoff, J. & R. Weaver (1965): Circadian rhythmus of finches in light-dark cycles with interposed twillights, Comp Biochem Physiol 1965, 16, 507-514


    Jenkins, T. (1999): Basics of Featherpicking, Script zur PBR Convention, Okt. 1999


    Levinson, S. L. (1981): The Social Behavior of the White-fronted Amazon Amazona albifrons, in: PASQUIER, R. A.: Conservation of the New World Parrots, Proceedings of the ICBP Working Group Meeting St. Lucia, Washington & London, 403 - 417


    Maitra, S. K., M. Dey, S. Dutta, S. Bhattacharya, R. Dey & A. Sengupta (2000): Influences of graded dose of melatonin on the Levels of blood glucose and adrenal catecholamines in male roseringed parakeets (Psittacula krameri) under different photoperiods, in: Archives of Physiology and Biochemestry 2000, Vol. 108, No. 5, 444 - 450


    McCormack, C. E. (1990): Illuminance threshold for maintenance of testes in Syrian hamsters (Mesocricetus auratus) is higher in continuous light zhan in long photoperiods, J. Biol. Rhythmus 5/1990, 107 - 118


    Mosa, S. G., J. L. Garrido, J. J. Suad & W. Nunez (1992): The migration of the Turquiose-fronted Parrot Amazona aestiva and the Alder Parrot Amazona tucumana. In northwest Argentina, Manejo de Fauna, P. T., No. 7, 1 - 13


    Schmid, R. (2004): The influence of the breeding method on the behaviour of adult African grey parrots, Inaugural-Dissertation, Vetsuisse-Fakultät, Institut für Genetik, Ernährung und Haltung von Haustieren, Universität Bern


    Steigerwald, K. (2006): Sehleistung des Vogelauges - Perspektiven und Konsequenzen für die Haltung von Zier- und Wirtschaftsgeflügel unter Kunstlichtbedingungen, Klinik für Vögel, Ludwig-Maximilians-Universität, München, S. 298 ff.


    Weinhold, J. (1998): Analyse des Sozialverhaltens einer Gemeinschaft von Blaustirnamazonen Amazona aestiva (LINNE 1758 ) in Volierenhaltung, in Parrot Biology, Vol. 2, Jun. 1998, Arndt-Verlag, Bretten

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